Desperado der Liebe
Lösegeldforderung geschickt oder Araminta entjungfert und entehrt auf die High Sierra zurückgebracht hatte.
Und es gab auch keinen Grund, sich Gedanken wegen der Plakate zu machen, sagte sich Judd zum wiederholten Male, die Noble nach ihrer Rückkehr hatte drucken und überall in Texas und sogar im Norden von Mexiko verteilen lassen und auf denen er eine Belohnung von fünftausend Dollar für Aramintas unversehrte Rückkehr ausgesetzt hatte oder für jede Information, die zu ihrem Auffinden und ihrer Rettung führte. Und auch die Bande professioneller Kopfgeldjäger, die Noble angeheuert hatte, waren kein Grund zur Sorge. Dieser Bandit, der sich selber Pancho Villa nannte, trieb in Chihuahua sein Unwesen, und der Haß auf die Amerikaner war inzwischen so angeheizt in Mexiko, daß wohl niemand dort auch nur eine Sekunde zögern würde, vier Gringo-Söldner umzulegen, die dumm genug waren, über die Grenze nach Süden zu reiten, auf der Suche nach einer Gringa, die aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht mehr am Leben war.
Fast den ganzen Weg über dem Lauf des Rio Conchos folgend, vereinten sich Rigos Truppen schließlich mit den dreitausend Rebellensoldaten, die das Gros der Villistas in Ciudad Jiménez bildeten. Dort sah Araminta auch zum erstenmal ihren Befehlshaber, Francisco »Pancho« Villa, den berüchtigten Banditen und sagenumwobenen Anführer der Revolution. Geboren als Doroteo Arango, war Villa von großer Statur wie viele Männer aus dem Norden Mexikos, auch wenn er nicht so elegant und geschmeidig war wie Rigo. Villa hatte lange Arme, einen hochaufgeschossenen, kräftigen Körper und die kurzen Beine der Indianer, mit denen sich viele der spanischen Ureinwohner und später die Mexikaner über die Jahre verheiratet hatten. Seine schmalen Augen trugen die orientalischen Züge seiner Ururahnen. Sein leicht schütteres schwarzes Haar war kurz geschnitten und entsprach der Farbe seines buschigen Schnauzbarts. Er sah genauso hart und furchterregend aus, wie Araminta dies über ihn berichtet worden war,- denn sein Lächeln - und er lächelte oft - erreichte selten seine dunklen Augen, die stets auf der Hut waren und nicht verrieten, welch scharfe Instinkte und Gerissenheit sich dahinter verbargen, welche Verschmitztheit und rauhe Intelligenz.
Wie Rigo und so manch anderer, der eine gewichtige Rolle bei der Mexikanischen Revolution spielte, war Villa schon vor dem Krieg ein Gesetzloser gewesen. Kurz nach Ausbruch der Kämpfe war Villa, ebenfalls wie Rigo, in El Paso aufgetaucht, um den Revolutionären sein Wissen, seine Erfahrung und sein Geld anzudienen. Es hieß, daß Villa nach zwanzig Jahren als Bandolero ein Vermögen unter seiner Matratze versteckt hatte. Doch als Rigo dies hörte, lachte er nur und meinte zu Araminta, daß Villas »Vermögen« in Wirklichkeit gerade mal 363 Pesos betragen hatte, die meisten Münzen so abgescheuert über die Zeit, daß sie wie frisch poliertes Silber blinkten.
Doch für die Bauern Mexikos war er so etwas wie der Robin Hood ihrer Tage. Es hieß, daß er in Zeiten der Hungersnot ganze Landstriche mit Lebensmitteln versorgt und sich um die Bewohner ganzer Dörfer gekümmert hatte, die - unter Präsi-dent Diaz' ungerechtem Landrecht - von den Föderalisten von Haus und Hof vertrieben waren. Im stillen dachte Araminta, daß Villa sehr wahrscheinlich deshalb kein Vermögen besaß, weil er es mit Saufen und Weibern auf gebraucht hatte. Sosehr es Araminta auch schockierte, war es unter den einfachen Mexikanern gemeinhin üblich, mehr als nur eine Frau zu haben. Villa hatte zwei, eine schlichte Bauersfrau, die in El Paso lebte und ihn während all seiner Jahre als Desperado begleitet hatte, und ein zierliches, junges Mädchen, das sein Haus in Chihuahua City besorgte. Villa war ein Genie der Kriegsführung, denn er war es, der die Guerillataktik entwickelte, die den Rebellen Mexikos so große Erfolge bescherte.
Vielleicht lag es daran, daß er aus ärmlichen Verhältnissen stammte und nie eine Schule besucht hatte und daher nichts von den anerkannten Strategien des Krieges wußte; vielleicht lag es aber auch daran, daß er zweiundzwanzig Jahre seines Lebens als Desperado zugebracht hatte, so daß seine Taktik des Kämpfens eher zu Banditen als zu Soldaten paßte. Er war noch ein junger Mann gewesen, gerade erst sechzehn Jahre alt, als er sein erstes Verbrechen begangen hatte. Er lieferte Milch auf den Straßen von Chihuahua City aus, als er - als Vergeltung für die
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