Desperado der Liebe
daß Araminta, die vom Rand aus zuschaute, ihn allmählich für ebenso wahnsinnig hielt wie Mayor Fierro, »den Schlächter«. Als der Stier einmal, schnaubend und mit gesenktem Kopf, Villa von hinten angriff und ihn buchstäblich durch den Ring trieb, wandte sich Villa um, packte den Bullen am Schädel und versuchte, dem Tier den Hals umzudrehen, ehe die anderen hinzugeeilt kamen und alle Mühe hatten, den tobenden Stier am Schwanz zurückzuziehen. Für die Männer, und das galt auch für Rigo, war dies nichts weiter als ein großartiger Sport; für Araminta hingegen der reinste Wahnsinn, und sie wunderte sich nur, daß niemand dabei umkam. Allmählich gelangte sie zu der Ansicht, daß sie alle nicht ganz bei Trost waren, allesamt Verrückte, diese wilden und draufgängerischen Latino-Männer.
Villa tanzte für sein Leben gem. Als seine Armee auf Torreón zu marschierte, hatte er sogar in Ciudad Carmargo kurz haltge-ni.icht, um der Hochzeit eines alten Freundes als Trauzeuge beizuwohnen. Zwei Tage, so erzählte man sich, habe er durchgefeiert und getanzt und sei dann an die Front gekommen, ohne auch nur eine Stunde geschlafen zu haben. Und daher war es vielleicht nicht ganz so überraschend, daß er Rigo dessen verspätetes Eintreffen bei den Truppen nachgesehen hatte.
Wie Araminta mit der Zeit feststellen konnte, war Villas Verhalten auf dem Schlachtfeld nicht minder ungewöhnlich. Bislang hatte kein mexikanisches Heer sich je vom Basislager entfernt, sondern alle waren stets in der Nähe der Bahnstrecke und Versorgungszüge geblieben. Villa war der erste General, der je auf den Gedanken gekommen war, die Frauen zeitweise zurückzulassen und dann einen Vormarsch zu Pferd zu unternehmen. So verfuhr er auch bei Gómez Palacio, einem Vorort von Torreón, wo er den Feind in Angst und Schrecken versetzte, indem er das Basislager verließ und sein gesamtes Heer in die Schlacht führte. Als Folge wurde Gómez Palacio im Handstreich eingenommen, und kurz darauf, im September, fiel auch Torreón. Doch sollte dieser Sieg nicht lange währen, denn inzwischen war bekannt geworden, daß Villas alter Gegenspieler, General Pascual Orozco, sich mit seinem riesigen Heer aus Ciudad de México Richtung Norden aufgemacht hatte und auf Torreón zumarschierte. Angesichts dieser Bedrohung war Villa zum Rückzug gezwungen. Doch war das keine Aufgabe - einen Monat später machte er, nachdem er einige hundert Kilometer der Bahnstrecke gefolgt war, halt und griff statt dessen Chihuahua City an.
Inzwischen war Araminta sicher, daß sie ein Kind von Rigo erwartete. Ihre Regel war bereits den dritten Monat ausgeblieben, und auch die Veränderungen ihres Körpers ließen keinen anderen Schluß zu, als daß sie schwanger war. Sie hatte es Rigo noch nicht erzählt, wußte aber, daß sie es bald würde tun müssen. Er kannte ihren Körper zu gut, um das Schwellen ihrer Brüste, die leicht dunkleren Brustwarzen und die kleine Wölbung ihres Bauches nicht zu bemerken. Sie mußte zwar selber schon sehr genau in den Spiegel schauen, um das zu erkennen, aber ein Mann, der ihr so nahe und dem sie körperlich so vertraut war, würde es früher oder später mit seinen Lippen oder Händen entdecken.
Von morgendlicher Übelkeit war sie bislang verschont geblieben, höchstens plagte sie manchmal eine unglaubliche Müdigkeit, so daß sie nun länger schlief während der Siesta, worunter natürlich ihre Arbeit litt. Aber das machte Rigo sicher nicht mißtrauisch, denn sie hatte von jeher langsam und sorgfältig geschrieben, und es hatte mitunter Tage oder gar Wochen gedauert, ehe sie die dazugehörigen Zeichnungen vollendet hatte. Sie war darin auch nie von Rigo angetrieben worden. Zum erstenmal war Araminta froh, mit dem Wohnwaggon zu reisen anstatt zu Pferde, denn nun konnte sie sich hinlegen und ausruhen, wenn ihr danach war ; eingelullt vom Rattern des Waggons, während sich Villas Zug den Weg gen Norden bahnte; in der kühlen Brise des Fahrtwindes, der durch das Fenster ihres Schlafzimmers hereinstrich.
Fünf lange Tage währte der Angriff der Villistas auf Chihuahua City nun schon, doch bislang ohne Erfolg; und so mußte Orozco schon geglaubt haben, sein Traum eines Triumphes über seinen alten Feind sei in greifbarer Nähe. Araminta konnte nur versuchen, sich auszumalen, welch ein Schock es für ihn gewesen sein mußte, als er eines Morgens aufwachte und feststellen mußte, daß Villa ihn ein weiteres Mal ausgetrickst hatte, indem er mit seinen
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