Desperado der Liebe
Truppen im Schutze der Dunkelheit um die Stadt herum marschiert war und mitten in der Nacht angegriffen hatte. Weil er nicht genügend Waggons gehabt hatte, um seine weiterhin ständig wachsende Armee -die mittlerweile fast viertausend Soldaten umfaßte - heranzuschaffen, hatte er bei Terrazzas einen Güterzug der Föderalisten, den General Castro, der Kommandeur der Föderalisten in Ciudad Juárez, Richtung Süden geschickt hatte, angegriffen und beschlagnahmt. Da auch dieser Zug nicht für den Truppentransport ausreichte, hatte Villa dreist ein Telegramm an Castro geschickt und ihm mitgeteilt, die Lokomotive sei bei Moctezuma liegengeblieben, und forderte eine neue Lokomotive und fünf weitere Waggons an. Das Telegramm hatte Villa im Namen des befehlshabenden Colonels des eroberten Frachtzuges der Föderalisten aufgegeben, daher sandte der ahnungslose General Castro auch unverzüglich den gewünschten neuen Zug. Daraufhin schickte Villa ihm erneut ein Telegramm unter falschem Namen, in dem er Castro die Falschmeldung übermittelte, die Telegrafenmasten zwischen dem derzeitigen Aufenthaltsort des Zuges und Chihuahua City seien unterbrochen, aber da sich von Süden her ein größerer Truppenteil der Villistas nähere, wolle er nun fragen, was zu tun sei. Der überlistete Castro hatte daraufhin zurücktelegrafiert, er solle unverzüglich nach Ciudad Juárez zurückkehren. Villa verschickte weiterhin gefälschte und irreführende Telegramme, während er gleichzeitig einen überraschenden Vorstoß auf die nahezu ungeschützte Grenzstadt unternahm. Als Castro die Meldung von Villas Anrücken erhielt und erkennen mußte, wie gekonnt und skrupellos er hereingelegt worden war, machte er sich bei Nacht und Nebel davon, ohne auch nur seine Garnison davon zu unterrichten. So kam es, daß Villa nach einem kurzen Kampf, bei dem kaum ein Schuß abgefeuert wurde, die Stadt schließlich einnahm.
Und hier in Ciudad Juárez, so nahe der Grenze nach El Paso, geschah es auch, daß erstmals und ohne Vorwarnung jemand den Versuch unternahm, Araminta aus Rigos Griff zu befreien. Inzwischen war es November, und Aramintas Entführung von der High Sierra lag bereits sechs Monate zurück, ohne daß ihr Großvater ein Lebenszeichen von ihr erhalten hatte. Um seine angegriffene Gesundheit vor ihrer damaligen Hochzeit wissend und zunehmend von Schuldgefühlen geplagt, wenn sie daran dachte, wie sehr er sich um sie sorgen mußte, bat Araminta Rigo, ihm zu gestatten, ihren Großvater wenigstens per Telegramm wissen zu lassen, daß sie am Leben und wohlauf war.
»Bitte, Rigo«, bat sie ihn inständig, »verwehre mir das nicht, denn es ist alles, worum ich dich bitte. Er ist ein alter Mann, und auch wenn er mich bedrängt hat, Judd zu heiraten, fühle ich, daß er tief in seinem Herzen etwas für mich empfindet und nur mein Bestes gewollt hat.«
»Das glaube ich kaum, auch wenn ich ihm zugestehen will, daß er, da Judd nun mal sein Patensohn ist und ihm daher wohl etwas bedeutet, absichtlich die Augen vor dem grausamen, bösartigen Wesen deines Gatten verschlossen hat. Aber meinetwegen. Da es dir anscheinend so viel bedeutet und uns nicht schaden kann, da wir morgen früh Ciudad Juárez verlassen und nach Tierra Bianca weiterziehen, will ich es dir erlauben. Aber nur dieses eine Telegramm, querida «, fügte er warnend hinzu. »Vergiß niemals: Was mir gehört, gebe ich nicht mehr her. Und kein Mann, nicht einmal dein Großvater, wird dich mir wegnehmen.«
Und so begleitete Rigo sie zur Telegrafenstation beim Bahnhof, wo Araminta dem Telegrafisten den Text ihres Telegramms diktierte, ehe Rigo ihn dann anwies, es durchzugeben. Das Telegramm war nicht so ausführlich, wie Araminta dies gern gehabt hätte, denn Rigo hatte ihren ursprünglichen Text mit ernster und undurchdringlicher Miene rigide gekürzt und nur ein knappes »Großvater, bitte sorge Dich nicht um mich, ich bin am Leben und wohlauf« erlaubt. Dem hatte er - gegen Aramintas Einspruch - den Satz: »Aber das werde ich nur dann auch weiterhin bleiben, wenn Du die Belohnung und die Männer, die Du angeheuert hast, um mich zu finden, zurückziehst. Araminta.«
»Das ist herzlos und überflüssig!« hatte Araminta protestiert und sich auf die bebende Unterlippe gebissen, als in Rigo plötzlich der harte, unerbittliche Bandolero vor ihr stand. Und ihr widerspenstiges Wesen, erstickt durch die Gefangenschaft und besänftigt durch die Liebe, begann sich erneut zu regen und
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