Desperado der Liebe
lag ordentlich gefaltet in den Schubladen der Kommode, und auf der Frisierkommode lagen bereits die Erbstücke ihrer Mutter, der silberne Handspiegel, die Bürste und der Kamm aus Elfenbein. Ihre kleine Sammlung wertvoller Bücher, von denen die meisten ihrem Vater gehört hatten, standen auf dem Nachttischchen. Im Schaukelstuhl saß ihre Lieblingspuppe aus Kindertagen. Sie war alt und ein wenig zerschlissen, aber irgendwie hatte es Araminta nicht übers Herz gebracht, sich von ihrer Puppe zu trennen. Als sie ihre wenigen Habseligkeiten betrachtete, wurde ihr mit einem mal klar, daß dies die gesamte Summe ihres bisherigen Lebens darstellte. Tränen traten ihr in die Augen bei dieser Erkenntnis. Sie hatte solch große Zukunftspläne und Hoffnungen gehabt, als sie das Internat verließ. Daß nichts daraus geworden war, war in der Tat schwer zu ertragen, vor allem wenn sie bedachte, welche Zukunft ihr Großvater für sie ausersehen hatte. Ohne Zweifel erwartete er von ihr, daß sie einen der reichen Rinderbarone oder Landeigner heiratete. Und sicher hatte er auch schon einen oder mehrere in Frage kommende Kandidaten im Auge.
Bei dieser Vorstellung erschauderte Araminta. Sie hatte nichts gegen eine Heirat; im Grunde sehnte sich ein Teil von ihr sogar nach einem Mann und Kindern. Nur verwirrte sie die Art und Weise, wie ihr Großvater dabei vorging, und sie fand es geschmacklos, sie wie eine Preis-Färse an den Höchstbietenden zu versteigern. Für ihren Großvater war eine Heirat augenscheinlich nichts anderes als eine geschäftliche Verbindung; diese Auffassung konnte sie nicht teilen, sie widerte sie an. Ihre Eltern hatten einander so leidenschaftlich geliebt, daß sie, nur um zusammenbleiben zu können, alles andere geopfert hatten, darunter auch die High Sierra, Preston Winthrops Erbe.
Aufgewachsen im Umfeld dieser reinen, unvergänglichen Liebe, wußte Araminta tief in ihrem Herzen, daß sie sich niemals mit weniger zufriedengeben würde, wenn es um ihre Ehe und ihren Ehemann ging. Bestürzt hatte sie jedoch erfahren müssen, daß ihr Großvater sie nicht einmal um ihre Meinung zu seinen Plänen gefragt hatte; ihre Bedürfnisse waren ihm eindeutig egal, und er ging davon aus, daß sie sich seinem Willen fügte. Die Vorstellung, daß seine Weisungen sie zwingen würden, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte und niemals würde lieben können, war gleichermaßen erschreckend wie abstoßend, ebenso das Wissen, daß ihr Großvater niemals auch nur die geringsten Skurpel gehabt hatte, seinen Einfluß und sein Vermögen als Waffe gegen jene einzusetzen, die sich ihm widersetzen, selbst bei seinem eigenen Sohn nicht. Warum also sollte es bei ihr anders sein?
Doch dann sagte sie sich, daß sie mit ihren düsteren Vermutungen, ihren Großvater, ihre Hochzeit und Zukunft betreffend, gewiß übertrieb, zumal sie noch nicht einmal jemanden kennengelemt hatte, der überhaupt als Freier in Frage kam. Im selben Moment jedoch mußte sie an Rigo del Castillo denken, an sein tiefes, spöttisches Gelächter und an das Gefühl seiner Haut an ihrer, so elektrisierend wie ihr knisterndes Haar, wenn sie es durchbürstete und mit der Spange bändigte, die sie nachts stets trug, damit sich ihr Haar im Schlaf nicht verknotete. Sie betrachtete ihr Spiegelbild und zog eine Augenbraue hoch, als sie an den General dachte, entsetzt, daß sie die kurze Begegnung mit ihm einfach nicht vergessen konnte. Er sah verdammt gut aus, gestand sie sich zerknirscht und widerwillig ein, und zwar auf eine bedrohliche und teuflische Weise, von der sie sich auf seltsame Weise angezogen fühlte. Sie konnte verstehen, warum bestimmte Frauen ihn trotz seines Rufs als Schwerenöter und Rebell - vielleicht sogar gerade deshalb - attraktiv fanden. Nicht, daß sie es getan hätte, natür-lich nicht, sagte sie sich im stillen. Es war nur der Umstand, daß er und ihr Großvater, aus welchen Gründen auch immer, erbitterte Feinde waren, was ihre Neugier und ihr Interesse am General geweckt hatte. Wissen war Macht, und es würde interessant sein, herauszufinden, wer dieser Mann war, der sich mit ihrem Großvater angelegt hatte - und dies, ohne Schaden zu nehmen -, weil sie nicht glaubte, daß es viele von dieser Sorte geben konnte. Selbst ihr Vater hatte Noble Winthrops langen Arm der Vergeltung und Rachsucht gefürchtet, und dies aus gutem Grund.
Ihr Großvater war anmaßend und herrschsüchtig wie eh und je. Nach ihrem heutigen Gespräch war sie sicher, daß
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