Desperado der Liebe
in den Satteltaschen mit sich führte. Manchmal legte sie eine Rast ein, stieg vom Pferd und ruhte sich auf einem Fleckchen Gras oder einem Felsvorsprung aus, holte die hölzerne Schachtel mit ihren Malutensilien hervor und begann zu zeichnen und zu malen; oft genug vergaß sie dabei die Zeit. Mit gekonnten Strichen entstanden Berge, Anhöhen, Plateaus und Ebenen auf Papier oder Leinwand. Nach und nach fügte sie Bilder der grasenden Rinderherden hinzu, mit den Arbeitern in den Korrals oder draußen auf dem Weideland; und schließlich schrieb sie Sätze hinzu, und dabei entstand die Geschichte der High Sierra und des Westens. Doch dies blieb Aramintas Geheimnis; und sie bewahrte es in ihrem Holzkasten verschlossen auf, wie sie in ihrem Herzen den Traum aufbewahrte, eines Tages Journalistin zu werden.
Nach ihrem Ausritt kehrte sie zur Hacienda zurück, wo sie gemeinsam mit ihrem Großvater frühstückte, der mit Wohlgefallen zur Kenntnis nahm, daß sie keine faule Langschläferin war und ihr die täglichen Ausflüge guttaten ; ihre Wangen hatten längst wieder eine rosige Farbe angenommen, und sie war nicht mehr so dürr und blaß wie bei ihrer Ankunft, so daß er nicht mehr befürchten mußte, daß sie seinem Patenkind Judd Hobart nicht gefallen würde.
Nach dem Frühstück setzte sich Araminta mit Mr. Gideon zusammen, und er riet ihr, wie sie mit der Renovierung des Hauses am besten vorgehen sollten und welche Garderobe sie sich für die festlichen Anlässe besorgen sollte, zu denen sie in den kommenden Wochen selber einladen oder eingeladen werden würde. Nachdem sie etliche lange Listen aufgestellt hatten, fuhr Mr. Gideon mit ihr nach El Paso und begleitete sie in die vornehmsten Geschäfte am Ort. Was nicht in der Stadt besorgt werden konnte, wurde bestellt - aus St. Louis, Chicago oder New York City, wenn nötig, sogar aus Europa. Araminta suchte sich kostbare Gewänder und Ballkleider von keiner geringeren Adresse als Worth in Paris aus. Während all dieser gemeinsamen Besprechungen und Einkaufsgänge wunderte sie sich immer wieder, wie gut sich Mr. Gideon mit Möbeln, Kleidern und Schmuck auskannte. Sicher war er wegen seiner Kenntnisse für ihren Großvater unentbehrlich geworden.
Doch schließlich war der Tag gekommen, an dem das letzte Bild aufgehängt, das letzte neue Kleid eingetroffen war und ihr Großvater sowohl die Hacienda wie auch Araminta bereit für die feine Gesellschaft von West-Texas befand. Und so wurden Einladungen verschickt, Vorkehrungen mit Lebensmittellieferanten und Floristen getroffen, für Musik gesorgt und der Ballsaal prächtig für ihren Debüt-Ball oder Fandango, wie es im Südwesten gemeinhin genannt wurde, geschmückt. Da sie wußte, wie blaß Weiß sie machte, hatte sich Araminta für ein leuchtendrosa Seidenkleid entschieden, dessen Farbton an einen texanischen Sonnenaufgang erinnerte und ihren hellen, inzwischen von der Sonne leicht gebräunten Teint wie Rosen und Gold leuchten ließ. Das Kleid hatte kurze, schulterfreie Ärmel und ein herzförmiges Dekollete, das ihre vollen, reifen Brüste zur Geltung brachte. Von der Schärpe um ihre Taille herab ergoß sich das Kleid in Glockenform und endete in einem mit Rüschen besetzten Saum. Carmen, ihre Zofe, hatte ihr das lange blonde Haar zu einer Kaskade von Ringellocken aufgetürmt und rosa Seidenschleifen und kleine rosa Seidenrosen hineingeflochten. Ein rosa Fransenschal und dazu passende Handschuhe und Sandalen vervollständigten ihr Ensemble. Ihre Ohren, Hals und Handgelenke hatte sie mit Diamanten geschmückt, die ihr ihr Großvater geschenkt hatte. Als sie sich nun im Standspiegel ihres Schlafzimmers musterte, wußte sie, daß sie wunderschön war. Wäre sie sich nicht so sicher gewesen, daß ihr Großvater diesen Fandango nur deshalb ausrichtete, um sie sämtlichen Junggesellen der Gegend vorzustellen, hätte sie sich gewiß auf den bevorstehenden Abend gefreut. So aber konnte sie nur hoffen, daß ihr Großvater ein Mindestmaß an Zurückhaltung und Diskretion bewies und nicht alle davon in Kenntnis setzte, daß sie noch unverheiratet war, wozu er durchaus imstande war.
Als Araminta sich dann unten in der Eingangshalle zu ihm gesellte, strahlte Noble anerkennend bei ihrem Anblick - was unglücklicherweise wie ein diebisches Grinsen wirkte, so daß er aussah wie jemand, der etwas im Schilde führt.
»Mädel, du siehst ja bildhübsch aus. Wie die Preismähre, die du dir aus meinem Stall ausgesucht hast. Ganz zu
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