Desperado der Liebe
und Bilder, auf denen sie beide zu sehen waren; die ihr, wenn sie sie eingehend betrachtete, Aspekte ihres Verhältnisses zueinander zeigten, die sie nicht sehen wollte. Da waren Zeichnungen von ihnen beiden gemeinsam im Sattel, bei der abendlichen Schachpartie oder wie er ihr im Schein des Lagerfeuers zeigte, wie man auf der Gitarre spielte, die er einem Bauern abgekauft hatte. Ein besonders verwirrendes Porträt zeigte ihr Spiegelbild; Rigo stand dicht hinter ihr und umarmte sie. Wie ein Liebespaar in einem unbeobachteten Augenblick sahen sie aus, dachte Araminta, als sie sich die Zeichnung später besah, und sie schob sie mit klopfendem Herzen zu den anderen Zeichnungen. Dieses Bild war viel zu persönlich, viel zu offenbarend; sie sollte es besser zerreißen, sagte sie sich selbst. Doch aus einem unerfindlichen Grund brachte sie es nicht über sich, sich davon zu trennen.
Nach endlosen Wochen erreichten sie - wie Araminta instinktiv wußte - Rigos Ziel, das Versteck der Desperados. Der Anblick ließ ihren Mut sinken, als ihr plötzlich bewußt wurde, daß sie bis zu diesem Moment vage gehofft hatte, ihr könne doch noch die Flucht gelingen. Aber von diesem Ort war jeder Fluchtversuch illusorisch - selbst wenn sie gewußt hätte, wohin sie überhaupt fliehen sollte.
Im ersten Licht des Morgengrauens waren sie aufgebrochen, hatten karges Buschland durchquert, bis sie an ein Bergmassiv kamen, das sich ockerfarben und umbrabraun vor dem endlo sen türkisblauen Himmel erhob. Nur ein bedenklich schmaler und holpriger Pfad führte hinaus, aber irgendwie schafften sie es, stiegen wenn nötig ab und führten die Pferde durch die emporragenden Felsschluchten, die sie von allen Seiten umgaben und vom Rest der Welt abschnitten. In der Mitte des Massivs jedoch wurde der schmale Pfad zu einem überraschend weiten Cañón, durch den ein von Bäumen und Buschwerk gesäumter breiter Bach gurgelte. An die Steilwände des Canons waren Lehmhütten gebaut, zu denen schmale, steinige Pfade hinaufführten. An einem Ende befand sich ein Korral mit mehreren Pferden; dort führte auch ein weiterer geschlungener Weg vorbei Richtung Berge. Selbst Araminta erkannte, wie trefflich sich dieser Ort verteidigen ließ. Ein einzelner Mann an jedem Ende des Cañons würde etliche Angreifer aufhalten können.
Plötzlich kamen Männer, Frauen und Kinder herbeigelaufen, um die zurückkehrenden Bandoleros aufgeregt und lautstark zu begrüßen. Schultern wurden geklopft, Arme ausgestreckt, Ehe- und Liebespaare fielen einander in die Arme und küßten sich, Kinder kreischten vergnügt und lachten, als sie von ihren Vätern gedrückt, geherzt und auf die Schultern gehoben wurden, während die etwas älteren Kinder nebenhergingen, einige stolz die Pferde zu den Korrals führend, um sie dort - welch eine Ehre - zu versorgen. Als Araminta die glücklichen wiedervereinten Familien sah, verspürte sie einen plötzlichen Stich und ein Gefühl der Einsamkeit, weil sie nur Zuschauerin dieser freudigen und herzlichen Szene war und nicht daran teilha lten konnte. Dies war das erstemal, seit Rigo sie entführt hatte, daß sie mit eigenen Augen die Herzlichkeit und sorglose Ausgelassenheit der Menschen dieses Landes erlebte, und es beeindruckte sie tief.
Als Rigo sie aus dem Sattel gehoben hatte, führte er sie nicht zu den anderen, sondern zu einer der Hütten auf der ersten Ebene des Canons, ganz in der Nähe des Baches. Es war eine bescheidene Behausung, wie Araminta beim Eintreten erkannte; nur ein großer Raum, der als Küche, Eß- und Wohnzimmer diente und an den sich rückwärtig ein Schlafzimmer anschloß, in das sie durch den groben Vorhang hindurch sehen konnte, der die beiden Räume voneinander abtrennte. Die Einrichtung war einfach und spärlich, das Mobilar samt und sonders aus derbem Holz. In der Eßecke stand ein großer Holztisch mit einer Bank zu beiden Seiten, während im Wohnzimmer ein Sofa, zwei Sessel, ein Hocker und einige kleinere Tischchen standen. Nebenan im Schlafzimmer sah sie ein Bett und einen Nachttisch, eine Kommode mit einem Spiegel an der Wand darüber, und auf der Kommode eine Schüssel und einen Henkelkrug; in einer Ecke des Raumes stand ein Stuhl. In der Küche gab es einen Ofen zum Kochen und im Wohnbereich einen größeren zum Heizen. Der Boden der Hütte war mit mehreren Lagen mexikanischer und indianischer Teppiche ausgelegt. An den kleinen Fenstern hingen grobe Vorhänge; es gab keine Fensterscheiben, dafür aber
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