Desperado der Liebe
Zuflucht vor der sengenden Sonne, dem trockenen Wind, dem endlosen Buschland, dem verdorrten Präriegras, den geschwungenen Sanddünen. Doch in den Felsen wuchs keine Vegetation, auch wenn Araminta hin und wieder eine Handvoll Schafe oder Ziegen erblickte, Diese waren so dürr wie die wenigen Rinder, Schweine und Hühner in den Dörfern, Tiere so hungrig wie ihre Besitzer und zäh und sehnig, wenn sie geschlachtet wurden; und dennoch waren sie ein Festmahl für jene, die es nicht anders kannten und nicht mehr als das hatten. Nie zuvor hatte Araminta solche Armut, solche Hoffnungslosigkeit und, am schlimmsten von allem, solche Furcht erlebt.
Sie war überall - in den faltigen, verwitterten Gesichtem der alten Männer und Frauen, die sich noch an Benito Juárez und einen anderen Krieg erinnerten, den gegen Kaiser Maximilian; in den dunklen, ernsten Augen der Kinder, die stumm und starr waren, wenn die Desperados kamen. Junge Männer und Frauen gab es nur wenige. Die meisten jungen Männer waren tot oder hatten sich als Soldaten der einen oder anderen Seite ange-schlossen. Die jungen Frauen versteckten sich voller Furcht, entdeckt, aus dem Versteck gezerrt und vergewaltigt zu werden von all denen, die ihnen - auf die eine oder andere Weise -ihre jungen Männer fortgenommen hatten. Sogar die ausgemergelten Hunde bellten die Fremden nicht an, sondern machten sich winselnd und mit eingezogenem Schwanz davon. Nur die Hühner gackerten laut den Ankömmlingen entgegen, flatterten wild mit den Flügeln, ehe sie hastig vor den Hufen der Pferde davonstoben.
In diese ruhigen, abgeschiedenen Dörfer kamen Rigo und seine Bandoleros; und niemand war sich mehr als Araminta bewußt, welch furchterregendes Bild sie boten, bis an die Zähne bewaffnet - Karabiner, Gewehre, Pistolen, Macheten und Messer - und mit vollgepackten Patronengürteln über der Brust. Sie selbst war auch ein Abbild des Terrors, vor Rigo im Sattel seines feurigen schwarzen Hengstes sitzend, das goldene Haar in der Sonne schimmernd. Ihre Fesseln um die Handgelenke verrieten, daß sie seine Gefangene war. Doch niemand wagte es, Rigo darauf anzusprechen, und noch weniger, ihr bei der Flucht zu helfen. Statt dessen blickten ihr durch die Ritzen und Löcher fest verschlossener hölzerner Fensterläden fremde Augenpaare entgegen, doch ohne allzu große Neugier. Das Land war so sehr in Aufruhr, daß selbst die Gefangennahme einer Gringa wenig Aufhebens machte. Ganz sicher, dachte Araminta bei sich, wurde angenommen, daß sie von einem der riesigen amerikanischen Anwesen kam, die von den Revolutionären überfallen und beschlagnahmt wurden, und daß sie mitgenommen worden war, weil sie irgend etwas verbrochen hatte oder einfach nur, weil es die Desperados nach ein wenig Spaß verlangt hatte. Und war es nicht letzten Endes so, daß die armen Mexikaner- und Indianerfrauen ein solches Schicksal Tag für Tag erlitten? Mußten sie sich nicht genau deshalb verstecken, selbst vor ihresgleichen und in ihrem Heimatdorf?
Anders als viele Männer, die in die Dörfer kamen, bezahlte Rigo zumindest für das, was er nahm; nicht in Gold - was nur Verdacht erweckt hätte, wenn man es bei den Dorfbewohnern fand sondern in mexikanischer Währung, Centavos und Reales, was einfacher zu erklären war. Wohin er auch kam, kannte man ihn, wenn auch nicht sein Aussehen, so doch sein Ruf. Mehr als einmal erblickte Araminta Respekt und ein kurzes Aufflackern von Furcht in den Augen der Dorfbewohner, wenn sie von seinem Rang und Namen erfuhren - General del Castillo. Und sie hörte oft, wie er El Salvaje - der Grausame genannt wurde, was wahrscheinlich schon Grund genug für die Dorfbewohner war, ihre Not zu ignorieren. Auch wenn es nur wenig Aussicht auf Flucht gab, war sie jedesmal froh, wenn Rigo und seine Bandoleros in ein Dorf kamen, weil es zumin dest bedeutete, daß sie sich würde waschen können und vielleicht sogar frische Kleidung erhalten würde, falls es Rigo gelang, sich von einer Bauersfrau passende Sachen auszuleihen, während Araminta ihre Kleidung wusch und trocknete. Manchmal blieben sie einige Tage im Dorf, und sie konnte sich vom langen Ritt erholen.
Mehr als alles andere an dem harten Leben, das sie nur erduldete, haßte Araminta den feinen rotgoldenen Staub, der eine ständige Plage war, sich in Haar, Haut und in der Kleidung festsetzte. Manchmal hatte sie das Gefühl, als würde sie nie mehr richtig sauber werden, und sie freute sich darauf, endlich wieder in
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