Desperado der Liebe
sich am Bachufer getroffen hatte; und wenn sie die Augen schloß und sich dem Klang seiner weichen, verführerischen Stimme hingab, meinte sie fast, wieder daheim zu sein und sich heimlich davongestohlen zu haben, um sich mit ihm zu treffen. Merkwürdig, wie sehr es sie dann schmerzte, so daß sie glaubte, Weinen zu müssen, und wie die besondere Nähe, die zwischen ihnen gewesen war, dann so unerträglich für sie wurde, daß sie wünschte, er wäre nicht so nett zu ihr, auf seine ihm eigene barsche Art, weil es ihr dann leichter gefallen wäre, ihn weiter zu hassen und ihm zu trotzen.
Ihre Entschlossenheit, sich gegen ihn zu wehren, brach eines Tages fast gänzlich zusammen, als er mit einem Zeichenblock, Notizbuch und Stiften zu ihr kam und sagte: »Du wirst zeichnen. Du wirst aufschreiben, was du siehst, Araminta. Und ich werde es unter deinem Pseudonym A. K. Munroe an Liam O'Grady beim Record in New York City schicken. Oh, ich sehe, du bist überrascht, daß ich von deiner Veröffentlichung in der Zeitung weiß. Aber ich habe dir doch gesagt, Gringuita, daß ich es mir zur Gepflogenheit gemacht habe, alles über dich zu wissen.«
Natürlich war ihr klar gewesen, daß Rigo und seine Männer ihr nachspioniert hatten; andernfalls hätte er niemals ihre Entführung so sorgfältig planen können. Aber sie hatte geglaubt, daß niemand von der Veröffentlichung ihres Artikels und den folgenden gewußt hatte und es ihr gutgehütetes Geheimnis geblieben war. Daß Rigo, wenn auch aus ureigenen Beweggründen, tatsächlich wollte, daß sie mit dem Schreiben und Zeichnen fortfuhr, führte unweigerlich dazu, daß sie seine Haltung mit der ihres Großvaters und Judds verglich, die beide ein gänzlich anderes Bild von der Rolle einer Frau hatten. Bald schon füllten erste Zeichnungen von Rigo, den Bandoleros, von Dörfern und ihren mexikanischen und indianischen Bewohnern ihren Zeichenblock und Worte ihr Notizbuch, als sie die Geschichte der Mexikanischen Revolution von einer Warte aus niederschrieb, die gleichermaßen unmittelbar wie persön lich war, wobei sie sich nicht so sehr auf den Krieg selbst konzentrierte, sondern auf jene, die ihn ausfochten. »Der ge schlossene Kreis« beschrieb die bewegende Geschichte eines alten Mannes, der in seiner Jugend für die Freiheit und Benito Juarez gegen den fremden Kaiser Maximilian gekämpft hatte und der nun im Alter erleben mußte, wie seine Heimat erneut von einem Krieg im Namen der Freiheit verwüstet wurde. »Ein gespaltenes Haus« war die tragische Geschichte einer Mutter, deren Söhne auf verschiedenen Seiten kämpften, der eine bei den Förderalisten, der andere bei den Villistas, und beide wußten nicht, ob sie sich nicht eines Tages auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen würden und gezwungen wären, den eigenen Bruder zu erschießen. »Der Preis der Freiheit« beschrieb das Leben eines kleinen Jungen, Miguelito, der zum Waisen wurde, als sein Vater von den Colorados umgebracht und seine Mutter verschleppt wurde, um als Hure zu dienen. »Schrei nach Aufruhr« war ein ausführlicher Artikel über Rigo und die Männer, die >>Hunde des Krieges«, die ihm folgten.
Araminta fragte Rigo nicht, was er von ihren Artikeln und Kohlezeichnungen hielt, und er sprach sie von sich aus nicht darauf an. Er nahm sie stumm und mit unbewegter Miene entgegen, faltete sie und steckte sie in einen Umschlag, um sie zu verschicken - zum Record, wie sie vermutete. Doch niemals brachte seine stumme Musterung sie dazu, etwas anderes zu schreiben als das, was sie sah, die Worte abzumildern oder Bilder zu beschönigen, wenn sie ihn oder die Revolutionäre in einem harten, wenig schmeichelhaften Licht dastehen ließ.
Und er verlangte nicht, daß sie ihre Artikel umschrieb oder ihre Bilder änderte, um ihn oder seine Verbündeten günstiger darzustellen.
Araminta wußte nicht, ob ihre Artikel und Zeichnungen Liam O'Grady überhaupt erreichten, und schon gar nicht, ob er sie auch veröffentlichte; dazu war der Aufruhr in Mexiko einfach zu groß. Doch sie fuhr mit fast fieberhaftem Eifer fort zu schreiben und zu zeichnen, so als würde eine unbekannte Macht sie antreiben, die Mexikanische Revolution und Rigo einzufangen. Es war, als würde sie das Geschehen auf diese Weise verstehen - und ihn. Denn es gab noch weitere Zeichnungen, die sie Rigo allerdings vorenthielt; Bilder, die entstanden, wenn sie sicher war, daß er nicht mitbekam, wie sie ihn beobachtete; Zeichnungen von ihm und Selbstporträts
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