Dessen, S
mir dasselbe zu veranstalten.«
»Aber du
warst
ein Kind«, meinte er.
Dem konnte ich nicht widersprechen. »Ja, schon. Ihrer Ansicht nach war das allerdings etwas, das ich in den Griff kriegen und drüber hinwegkommen konnte, wenn ich mich nur genug anstrengte.«
Eli sah mich mit diesem für ihn typischen Gesichtsausdruckan, einer Mischung aus leichter Verwirrung und Respekt. Jedenfalls sagte er schließlich: »Bei uns zu Hause war es das absolute Gegenteil. Eine Art Kinderparadies.«
»Wirklich?«
»Ja. Es gibt doch diese Familien, wo alle Kinder aus der Nachbarschaft ständig abhängen, um Fahrrad zu fahren, Comics zu lesen, ein Baumhaus zu bauen, zu übernachten … Kennst du, oder?«
»Ja«, erwiderte ich. Und fügte hinzu: »Ich meine, ich habe davon gehört.«
»Wir waren so eine Familie. Weil wir zu viert sind, bildeten wir schon mal automatisch die Hälfte einer Kickball-Mannschaft. Außerdem war Mom immer zu Hause, deshalb gab es bei uns die besten Snacks. Ihre Pizzarollen sind legendär.«
»Klingt toll.« Ich folgte ihm zur Kasse. Die Kassierin – die ältere Frau, die ich mittlerweile schon kannte – blickte von ihrer Zeitschrift auf und lächelte ihn an, während sie unsere Einkäufe eintippte. »Deine Mutter scheint echt klasse zu sein.«
»Ist sie«, sagte er wie selbstverständlich, ohne jeden Unterton, wobei er der Kassiererin ein paar Dollarscheine gab. »Sie ist eine so tolle Mutter, dass sie ihre liebe Not hat, jemanden zum Ausziehen zu bewegen. Es hat ewig gedauert, bis sie meine Schwester und meinen älteren Bruder loswurde. Und Jake ist der Jüngste und sowieso total verwöhnt, deshalb hat sie ihn wahrscheinlich am Hals, bis irgendeine Frau blöd genug ist, ihn zu heiraten.«
Ich spürte, dass ich rot wurde, weil mir prompt unser hektisches Gefummel in den Dünen einfiel. Ich schluckte und konzentrierte mich auf die Kassiererin, während ich meinen Smoothie bezahlte.
Erst als wir schon fast wieder draußen waren, sagte Eli unvermittelt: »Hör mal, ich wollte dich nicht beleidigen. Ich meine, mit dem, was ich gesagt habe. Über Jake. Ich weiß, ihr zwei …«
Ich fiel ihm ins Wort, ehe er in die Details ging. »Ich bin nicht beleidigt. Es ist mir nur wahnsinnig peinlich.«
»Wir müssen nicht darüber reden.«
»Gut.« Ich sog lange an meinem Strohhalm. Schweigend liefen wir zum Auto, doch schließlich fuhr ich fort: »Zu meiner Verteidigung möchte ich allerdings sagen, dass ich mit Jungen … äh … wenig Erfahrung habe. Deshalb war es …«
Diesmal unterbrach er mich: »Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen oder irgendetwas zu erklären.« Er öffnete die Tür auf der Fahrerseite. »Ehrlich. Mein Bruder kann echt anstrengend sein. Lassen wir’s dabei.«
Ich lächelte dankbar, stieg ebenfalls ein. »Kenn ich, ich habe auch so einen. Einen anstrengenden Bruder. Allerdings treibt er sich seit ein paar Jahren in Europa herum, auf Kosten meiner Eltern, die er immer wieder erfolgreich um den Finger wickelt.«
»Man kann Leute aus der Ferne um den Finger wickeln?«
»Hollis jedenfalls kann das«, antwortete ich. »Er hat es zu einer Art Kunstform entwickelt.«
Eli schwieg nachdenklich. »Kommt mir ziemlich egoistischvor«, meinte er schließlich. »Vor allem, wenn man bedenkt, dass er die einzige Kindheit bei euch abgekriegt hat.«
So hatte ich es noch nie gesehen. »Aber wie du schon sagtest, es ist vielleicht nicht zu spät. Für meine glückliche Kindheit und all das.«
»Ja, ist es nicht«, erwiderte Eli.
»Im Gegenteil, du wirkst geradezu erschreckend überzeugt davon«, sagte ich. »So überzeugt, dass ich mich allmählich frage, ob du das schon mal gemacht hast. Dieses Kindheit-nachholen-Ding.«
Er schüttelt den Kopf, sog an seinem Strohhalm. »Nein. Ich habe im Grunde das gegenteilige Problem.«
»Und das wäre?«
»Zuviel Kindheit. Ich habe immer bloß rumgealbert. Ich hab’s ja sogar geschafft, mit Spielen Geld zu verdienen.«
»Du meinst das Fahrradfahren?«
Er nickte. »Aber eines Tages wachst du auf und hast nichts vorzuweisen, was von all den Jahren übrig geblieben wäre. Bloß einen Haufen bescheuerter Geschichten, die umso bescheuerter werden, je mehr Zeit vergeht.«
Ich blickte ihn über das Wagendach hinweg an. »Wenn es dir so geht, warum ermunterst du mich dann ständig dazu, das ganze Zeug zu veranstalten?«
»Eben weil man es nachholen
kann
«, antwortete er. »Es ist nie zu spät für wilde Schlafanzugpartys. Und genau
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