Detektivin Anfang 30 sucht Auftraege
zufrieden.
»Mrs. Peterson, haben Sie das eigentlich der Polizei erzählt ?«
»Die haben mich gar nicht gefragt. Ich wollte niemandem Schwierigkeiten machen und habe lieber den Mund gehalten. Wenn sie neugierig sind, dachte ich, dann kommen die schon von selbst... wie Sie. Mittlerweile ist schon Gras über die Sache gewachsen. Ich glaube nicht, daß jemand einen Verdacht hat .«
»Verdacht? Was für einen Verdacht?«
»Daß sie ihn runtergeschubst hat .«
»Mrs. Grissom hat ihn runtergeschubst ?«
»Nein, doch nicht die. Die Rothaarige. Sie ist um den Schornstein rumgeschlichen, wo er einen Dachziegel ausgewechselt hat. Dann hat sie ihm einen Stoß versetzt, und er fiel. Er hat nicht mal geschrien. Muß total überrascht gewesen sein .«
»Und Sie haben das alles gesehen ?«
»Klar und deutlich.«
»Über beide Gärten hinweg bei bewölktem Himmel ?« fragte ich skeptisch.
»Natürlich. Ich habe ja mit meinem Opernglas aufs Dach rübergeschaut .«
»Mit dem Opernglas ?« wiederholte ich wie eine Schwachsinnige. Ich war so perplex, daß mir nichts anderes einfiel.
»Damit beobachte ich hier alles«, sagte Mrs. Peterson, als verstehe sich das von selbst. Sie reichte mir das Opernglas, und ich riskierte selbst einen Blick. Ich hielt die Luft an. Der Schornstein war plötzlich zum Greifen nah.
»Was ist dann passiert ?« wollte ich wissen.
»Na, die Rohaarige ist wieder durchs Mansardenfenster ins Haus geklettert und weggefahren. Sie hatte einen kleinen weißen Mercedes mit einer Schramme an der Seite. Der Wagen parkte direkt hinten in unserer Straße. Danach habe ich die Dame nie wiedergesehen .«
»Konnten Sie das Autokennzeichen erkennen ?«
»Nicht von hier oben. Da ist der Winkel zu ungünstig .«
»Warum haben Sie damals nicht gleich die Polizei verständigt ?«
»O nein. Ich nicht. Nein, Madam. Wenn die Frau erfahren hätte, was ich gesehen habe, wäre ich die nächste auf ihrer Liste gewesen. Ich bin alt, aber nicht blöd. Und rechnen Sie nicht damit, daß ich die Geschichte vor der Polizei wiederhole. Die hätten gleich nach dem Unglück zu mir kommen müssen. Dann hätte ich ausgepackt. Aber jetzt nicht mehr. Jetzt, wo sie sich sicher fühlt und sich ein wasserdichtes Alibi zurechtgelegt hat. Nein, nicht mit mir!«
Offenbar war sie jetzt plötzlich der Meinung, genug erzählt zu haben, und trotz meiner subtilen Versuche war kein weiteres Wort aus ihr herauszubringen.
Ich fuhr direkt zum Polizeirevier und hatte ein Gespräch mit Lieutenant Dolan vom Morddezernat. Er hörte mir aufmerksam zu, doch seine Haltung war eindeutig. Er würde den Fall wieder aufrollen, wenn ich ihm nur den geringsten Beweis brächte. Was Beweise betrifft, die sich auf Hörensagen gründen, ist die Polizei von Santa Teresa ziemlich kleinlich. Besonders dann, wenn es um einen Fall geht, in dem bereits entschieden wurde, daß ein Verbrechen nicht vorliegt. Mord und Versicherungsbetrug als Motiv nachzuweisen, sei außerdem schwierig, erklärte Dolan . Wenn ich ihm allerdings Beweise lieferte, würde er sehen, was er tun könne. Im Augenblick jedoch hätten wir nur Mrs. Petersons Aussage, und die würde möglicherweise alles leugnen. Es sei frustrierend, aber ihm seien die Hände gebunden.
Ich fuhr in mein Büro zurück.
Als ich im Korridor in meiner Handtasche nach den Schlüsseln kramte, rief jemand meinen Namen. »Hallo, Kinsey! So eine Überraschung!«
Ich sah auf. Die Schatzmeisterin des Krimi-Clubs kam den Korridor entlang auf mich zu, eine wirklich elegante kleine Frau mit perfekt sitzender Frisur und frisch lackierten Fingernägeln. Ich fragte mich sofort, ob ihr wohl die Aufschrift >Kinsey Millhone — Privatdetektivin< aufgefallen sein mochte, die in großen Messingbuchstaben an meiner Bürotür prangte, und ging automatisch näher in Richtung des Nachbarbüros der California Fidelity, um sie abzulenken. Zwar hatte ich die Dame nicht direkt belogen, aber ich hatte auch nicht die Wahrheit gesagt, und ich wollte unbedingt vermeiden, daß Susie Grissom herausfand, was ich wirklich vorhatte.
»Hallo, Jenny! Was machen Sie denn hier ?«
»Ich war gerade ein Stockwerk höher beim Zahnarzt«, sagte sie und blickte zum Firmenschild der California Fidelity hinüber. »Ist das die Firma, bei der Sie arbeiten? Hübsch hier. Ich bin froh, Sie zu treffen. Wir haben morgen abend eine außerplanmäßige Clubveranstaltung und wollten Sie gern einladen, aber niemand hatte Ihre Telefonnummer. Ich schreibe Ihnen Adresse und
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