Detektivin Anfang 30 sucht Auftraege
Geiste sämtliche Selbstverteidigungsmethoden, die man mir beigebracht hatte.
»Warten Sie doch !« schrie mein Verfolger. »Sind Sie nicht Kinsey Millhone ?«
Ich wurde etwas langsamer. »Ja. Und wer sind Sie ?«
Mit seinen langen Beinen hatte er mich bald eingeholt. »Harry Grissom. Ich brauche einen Privatdetektiv .«
»Die meisten versuchen’s erst mal in meinem Büro«, sagte ich giftig. »Mann, haben Sie mir einen Schreck eingejagt! Ich bin fast gestorben vor Angst .«
»Tut mir leid. Der Typ vom Skateboard-Verleih hat behauptet, daß ich Sie hier finden kann. Ich dachte, das sei eine gute Gelegenheit für ein Gespräch .«
Mit Gus hatte ich bei einem meiner Fälle zu tun gehabt und mochte ihn sehr. Ich merkte, daß ich gnädiger gestimmt wurde. »Woher kennen Sie Gus ?«
»Ich habe Grundbesitz auf Granita . Er hat dort ein Häuschen zu vermieten .«
»Und wozu brauchen Sie mich ?«
»Mein Bruder Don ist vom Dach gefallen und war sofort tot. Die Polizei ist der Meinung, es war ein Unfall. Ich glaube, daß da jemand nachgeholfen hat .«
»Ach. Und wer?«
»Meine Schwägerin.«
Wir joggten Seite an Seite in zügigem Tempo. Harry Grissom war ein gutaussehender Mann, vielleicht fünfunddreißig, mit dichtem schwarzem Haar, einem Schnurrbart und der typischen Figur eines Schnelläufers : groß und schlank. Er behauptete, von Beruf Chiropraktiker zu sein, leidenschaftlich gern Ski zu fahren und ein bescheidenes Talent als Maler zu besitzen. Ich schätze, er erzählte mir das alles, um mich von seiner Aufrichtigkeit und seiner Sorge um das Schicksal seines Bruders zu überzeugen.
»Wann ist das mit Don passiert ?«
»Vor einem halben Jahr.«
»Und wie lange war er da verheiratet ?«
»So etwa dreizehn Jahre. Don und Susie haben sich im College kennengelernt. Don hatte damals noch ein Jahr bis zum Examen. Sie haben von Anfang an nicht zueinander gepaßt. Aber darüber konnte man mit ihnen nicht sprechen. Nach zwei Jahren stürmischer Liebe sind sie durchgebrannt und haben geheiratet. Von da an ging’s nur noch bergab .«
»Und wo lag das Problem ?«
»Sie hatten vor allem keine Gemeinsamkeiten, sie waren beide aufbrausend, stur und unreif .«
»Was ist mit Kindern ?« fragte ich.
»Amy ist acht, und der kleine Todd ist fünf .«
»Sonst noch was?«
»Die beiden haben sich jahrelang gestritten, daß die Fetzen flogen, und plötzlich herrschte Friede. Susie war ein Engel, und alles schien bestens zu sein. Don und ich haben ein paarmal darüber gesprochen. Er wußte nicht recht, was eigentlich passiert war, aber natürlich war er froh. Er glaubte, daß endlich alles gut sei .«
»Glaubten Sie das auch ?«
Harry zuckte mit den Achseln. »Ja, schon. An der Oberfläche schien alles in Ordnung zu sein. Aber ich hatte so meine Zweifel. Es war schließlich nicht so, daß sie eine Therapie gemacht hätte oder ein völlig neuer Mensch aus ihr geworden wäre. Sie hatte sich verändert, nur gab es keine erkennbare Ursache. Ich tippte auf einen Liebhaber, aber das habe ich Don nie gesagt. So was hört niemand gern, und ich konnte außerdem nichts beweisen .«
»Was wollen Sie damit andeuten? Daß sie sich einen Liebhaber angelacht und dann einen Unfall >arrangiert< hat, um Don aus dem Weg zu räumen ?«
»Warum denn nicht?«
»So schwer ist eine Scheidung in Kalifornien nun auch wieder nicht zu haben. Mord erscheint mir eine ziemlich radikale Methode, um einen ungeliebten Ehegatten loszuwerden .«
»Bei einer Scheidung kriegt man keine Prämien .«
»War er so gut versichert ?«
»Die Lebensversicherung belief sich auf hundertfünfundzwanzigtausend Dollar. Bei Tod durch Unfall das Doppelte. Die Lady hat eine Viertelmillion an Land gezogen. Außerdem kann sie auch noch mit dem Mitgefühl ihrer Mitmenschen rechnen. Bei einer Scheidung hätte sie kämpfen müssen und vermutlich verloren. Glauben Sie mir, ich bin unverheiratet. Die Hälfte der Frauen, mit denen ich ausgehe, sind geschieden, und die erzählen alle dieselbe Geschichte. Eine Scheidung ist die Hölle. Warum hätte Susie sich das aufladen sollen, wenn sie ihm nur einen Schubs zu geben brauchte ?«
»Hat sie ihn im Lauf der Jahre irgendwann einmal körperlich angegriffen ?«
»Nein... aber sie hat ihn bedroht .«
»Und wann war das ?«
»Vergangenen Juni... oder Juli. Irgendwann im Sommer, als die Ehe auf dem absoluten Tiefpunkt war. Ich weiß nicht mal mehr, worum der Streit ging, aber sie hat gesagt, sie würde ihn umbringen. Ich stand
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