Deus X
das nahezulegen, was sie in diesen
geistesarmen Zeiten die ›Wahl meines Nachfolgers‹
nennen.
Altmodische Klonungstechniken, gab er mir zu verstehen, seien
nicht angeraten in Fällen, in denen die Todesursache
übermäßiger Aufruhr in den genetischen
Kontrollmechanismen sein würde. Es gebe jedoch zahlreiche
mögliche Halbleiter-Matrizen für meine unsterbliche
Software.
Er brauchte so lange für seinen satanischen Vorschlag, weil
er ganz genau wußte, daß er ihn Leuten wie Pater Pierre
De Leone nicht offen unterbreiten konnte, doch in diesen letzten
Tagen war der hippokratische Eid uminterpretiert worden und zwang ihn
nun, ›transkorporeale Unsterblichkeit‹ zu offerieren, die
neueste Gabe aus dem Laboratorium des freundlichen alten Dr.
Faust.
Zweifellos sollte man einen sterbenden alten Mann nicht in eine
solch qualvolle Versuchung bringen, und wenn, dann schnell und in
kurzen Worten, damit die Sache erledigt war. So rationalisierte ich
jedenfalls meine Grobheit, als ich nach einer Weile – und es war
wirklich eine lange Weile – zu dem Schluß kam,
daß sich schon dieses Gespräch selbst dank solch
gewundener, verschlüsselter Formulierungen bis in alle Ewigkeit
erstrecken könnte.
»Betrachten Sie Ihre Pflicht als erfüllt, Doktor«,
erklärte ich dem Arzt schließlich. »Sie haben einen
Mann vor sich, der recht gut weiß, wie viele Möglichkeiten
es gibt, ein Modell seines Bewußtseins für immer in den
Siliziumgefilden umherschweifen zu lassen, und der sie alle als
Werkzeuge Satans ablehnt, um es ganz offen und präzise zu
sagen.«
Als ich ein junger Mann gewesen war, hatten Musikgruppen den Tanz
mit dem Teufel als saloppes Theater praktiziert, und satanische
Bilder waren sogar dazu benutzt worden, Frühstücksflocken
und Hundefutter zu verkaufen. Nur einige wenige verrückte
Kultanhänger hatten Satan ernsthaft zum Gegenstand ihrer
Anbetung gemacht, und selbst die Kirche hatte die buchstäbliche
Realität seiner Präsenz in der Welt heruntergespielt.
Und obwohl die Gemeinschaft derjenigen, die an einen
erlösenden Gott der Liebe glauben, seit jenem bösen
Zeitalter noch mehr zusammengeschrumpft ist, setzt die Erwähnung
Satans heutzutage natürlich jedem Gespräch ein abruptes
Ende.
In Anbetracht des Zustands unseres sterbenden Planeten und
angesichts der Tatsache, daß wir selbst die Verantwortung
für diese Sünde tragen, die so schrecklich ist, daß
sie nicht beim Namen genannt werden kann, ist der Beweis für die
Präsenz Gottes nur im gläubigen Herzen zu finden,
während die aufdringliche Präsenz Satans in der Welt selbst
für den Ungläubigen ziemlich schwer zu leugnen ist.
Oder jedenfalls die Beschwörung Satans in der Ablehnung der
›transkorporealen Unsterblichkeit‹ seitens eines
katholischen Priesters, dessen wohlbekannter Konflikt mit diversen
Päpsten in diesen Dingen dazu geführt hat, daß das
Thema im Grunde nur wegen einer Verletzung des ihm auferlegten
Schweigegebots in dieser Frage definitiv abgeschlossen wurde.
Danach konnten wir zu den praktischen letzten Dingen
übergehen. Ich hatte nicht die Absicht, in einem Krankenhaus zu
sterben, und da sich zumindest auf diesem Gebiet die Medizin auf
humane Weise entwickelt hat, bekam ich einen elektronischen Override
für meine Schmerzzentren. Euthanetika wurden nicht erwähnt,
aber es lag ein ganzer Haufen davon auf dem Tisch, als der gute
Doktor sich entschuldigte und auf die Toilette ging.
Das war in Rom, einer Stadt, der ich bestenfalls gemischte
Gefühle entgegenbringe. Immerhin ist es die Heilige Stadt, die
tausendjährige Hauptstadt der Kirche, das geistige Zentrum
dessen, was ich zu meiner Welt gemacht habe. Wie könnte ein
gläubiger Katholik seine letzten Tage woanders verbringen
wollen?
In Wahrheit nur allzu leicht. Tatsächlich muß ich
bekennen, daß ich den Ort verabscheue.
Die Ruinen der imperialen römischen Megalomanie beherrschen
die Stadt immer noch und stellen alles in den Schatten, was
erfolgreich gewesen ist, so daß eine Abfolge von Generationen
zerstörter Pracht in ihnen zu nisten scheint, als wären sie
ein Satz russischer matrioschka- Puppen,groß und hohl
nach außen und rückwärts in die Vergangenheit und
immer kleiner, wenn man sich der Gegenwart nähert, so daß
das Rom von heute wie ein Haufen schäbiger kleiner
Kaninchenbauten zu Füßen modriger pharaonenhafter Hybris
wirkt.
Außerdem war Rom, als ich die Stadt zum ersten Mal sah,
immer noch erfolglos bestrebt, mit dem erzwungenen Verlust
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