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D.E.U.S.

D.E.U.S.

Titel: D.E.U.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Degas
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nachhaltig
zu erschüttern. Doch der Homo sapiens kratzte nach und nach die oberste Schicht
der Freiheit von der Oberfläche ab – und er hatte einen übermächtigen
Verbündeten: die Natur.
     Im
Jahre 2034 hatte der Meeresspiegel vor der Küste einen beunruhigenden
Höchststand erreicht. Die Stadt war im Begriff, sich in ein zweites Atlantis zu
verwandeln. Der Mensch, durch Raubbau und Passivität in die Geschichte
eingehend, trug seinen Teil dazu bei. Die Umwelt verschwand unter dem Kolorit
der Technik und des zukünftigen Gedankenguts. Das Klima spielte Mensch ärgere
dich nicht, von Norden bis Süden, von Westen bis Osten.
     Der
Fortschritt befand sich in der Schlinge. Mit den Jahren verschlechterte sich
das Erscheinungsbild der Stadt. Die Sonne, einst der letzte Hoffnungsschimmer
am Himmel, verschwand innerhalb einer Dekade hinter einer meterdicken Wolken-
und Smogschicht. Der Nebel, das bedrohliche Wabern der Atmosphäre, verstärkte
das Gefühl der Enge und Unterdrückung auf säuerliche Weise. Dunkelheit war der
neue Stern am Firmament. Man unterschied nur noch zwischen Nacht und baldiger
Nacht; die Stunde zwölf und die Stunde null. Die Tage wurden kürzer, passten
sich der Energie des Menschen an und schufen in letzter Konsequenz ein
allgegenwärtiges und von allen Seiten greifbares Dystopia.
     Brooklyn,
Queens und die Bronx wurden aufgegeben. Staten Island war nur noch ein
vergessener Fleck auf einer Landkarte. Aus New York wurde Neu New York, und wo
Kontinente und Länder ringsum wie die Fliegen im Meer versanken, klammerte sich
Neu New York an einen letzten Strohhalm.
     Schutzlos
ersannen kreative Köpfe Maßnahmen, um das Leben auf der Erde für zukünftige
Generationen erträglicher zu machen – die Reise zum Mond war und ist ein
Hirngespinst. Mutter Erde ließ nie los.
     Die
Stadt wurde ausgebaut. Die Fühler zeigten nach oben. Auf den Kern der
ehemaligen Weltmetropole, dem Belag der Vergangenheit, wurden zwei Ebenen
gestülpt. Neue Bezirke, gleich einem Ersatzboden, der auf einen anderen gesetzt
wurde, dazwischen lange Auffahrten, die den Gang auf die nächsthöhere Ebene
symbolisierten oder den Fall in das Loch, die untere Ebene, dem Untergrund,
darstellten.
     Nicht
jeder New Yorker erlebte den Wandel. Die, die nicht rechtzeitig vor der Natur
ins Landesinnere flüchteten, mussten lernen, sich einer neuen
Gesellschaftsordnung anzupassen. Wenige hatten ab diesem Zeitpunkt das Sagen
für viele. Die Gesetze verschärften sich, neue Regeln wurden eingeführt. Das
Recht auf Leben wurde zu einem Privileg. Befugnisse waren das erstbeste Mittel
der Starken gegen die Schwachen. Der Rest war eine unausweichliche Formsache.
     2050
zählte Neu New York nur noch neunhunderttausend Einwohner. Die Bevölkerung war
um die Hälfte geschrumpft. Doch auch wenn das Leben verlagert wurde, forderten
Seuchen, Krankheiten und mindestens eine der sieben Todsünden weiterhin täglich
Opfer.
     Mel
und ich, wir waren zwei von vielen – und doch von so wenigen.
     
     Ein
Strauß Vergissmeinnicht lag wie weggeworfen auf der Straße zwischen Hauswand
und Rinnstein. In purer Hektik rasten Männer und Frauen daran vorbei, ohne
ihren Augen etwas blassblaue Farbe zu gönnen.
     Ich
befand mich in Sektor B, wo das Treiben am größten war und das übersehen werden
am schonendsten an einem vorüberzog. Es war ein trockener Tag, das Wasser glitzerte
nur noch in kleinen, von der Hitze des Asphalts blubbernden Bächen, nachdem es
vierzehn Tage ununterbrochen geregnet hatte. In Schulterhöhe zog ein eisiger
Wind durch die Straßen, sodass ich froh über meinen Mantel war.
     Eine
Frau mit zwei Kindern, Junge und Mädchen, Alter vorpubertär, zog eilig und mit
gesenktem Kopf an mir vorbei. Der Junge trat dabei auf die Vergissmeinnicht,
welche sich platt und zersprenkelt in ihrer Künstlichkeit verselbstständigte.
Das Mädchen streifte meinen Arm; eine ungewollte Tat. Ich warf einen traurigen
Blick zurück. Die Kleine drehte sich, von der Mutter am Arm gezerrt, zu mir um.
Ich konnte ihrem Blick nicht standhalten, zu schwach war ich selber noch. Kurz
darauf verschwanden sie zwischen einem neuerlichen Ansturm von Mänteln und
Mützen, Hemden und Hosen, fettigen Haaren und ausgemergelten Gesichtern.
     Die
Sirene weckte mich aus meinem Tagtraum. Kurz und wellig tönte sie weit über
mir. Ein Streifenwagen der Exekutive, ein Cloud der Einheit im Einsatz für das
Gute, wenn daran auch keiner mehr glaubte. Dieses Mal nur

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