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D.E.U.S.

D.E.U.S.

Titel: D.E.U.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Degas
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Interesse
verloren.«
     Er
beugte sich über einen Müllhaufen. Seine Hände beförderten Abfall zur Seite.
     »Jetzt
gehört sie ganz dir, Mister Sid«. Er trat zurück, ich trat näher.
     Im
Müll verborgen lag eine Tote, aufgebahrt wie ein sterbender Schwan, deren
letzter Atemzug schon eine Weile her sein musste. Ihre Augen bohrten sich in
die Wolken, wie Speerspitzen ins Eis. Das Körperhaar lugte einer Gänsehaut
gleich empor. Die Natürlichkeit entfloh ihr ohne aufgetakeltes Brimborium, im
starken Kontrast stehend zur noch vor wenigen Augenblicken präsentierten
Straßenpomp. Ihre Lippen waren weit geöffnet und getrocknetes Blut bedeckte
Zunge, Mund und Wange.
     »Sprachlos?«
Der Totengräber unterbrach die Lethargie. »Ich fand sie vor drei Tagen hier.
Verschwenderisch müsste man meinen. Ich nehme an, Dante hat sich ihre Organe
geholt.«
     »Der
Teufel?«
     »Die
Droge«, korrigierte er mich.
     Es
war nicht mein Metier, aber man konnte das Allgegenwärtige nicht ausblenden.
Dante war ein weitverbreitetes Synthetikum, dessen schlimmste Nebenwirkung der
Tod war. Einmal vom Präparat gekostet, nahm einem die Sucht in Beschlag. Es war
ein Teufelskreis, aus dem es kein Entkommen gab. Höllenopfer, wie man die Toten
umgangssprachlich nannte, wiesen äußerlich keine Veränderungen auf. Man konnte
die Droge nur schmecken – im Blut, welches aus dem leblosen Körper
heraussprudelte, sobald das Innere sich auflöste.
     Ich
wusste, ich war schon zu weit gegangen. Es war nicht meine Aufgabe, die Toten
vom Boden zu schaben. Nicht meine Ermittlung. Nicht mein Problem. Die Einheit
würde davon erfahren und einen Cloud vorbeischicken. Ein Begräbnis würde es
nicht geben.
     »Hast
du sie geküsst?«, wollte ich von Benoit wissen.
     »Gott
bewahre. Meine Schwäche ist das Geld, nicht der Kick.« Er atmete hörbar ein und
aus. »Eines meiner Mädchen hat's getan.« Ich sah ihn angeekelt an. Ihm schien
allein der Gedanke zu gefallen.
     Ein
Poltern ließ uns herumfahren. Blech traf auf Stein. An der gegenüberliegenden
Wand kämpfte sich ein kleiner Junge aus einer Mülltonne. Benoit war schneller.
Mit festem Griff packte er den Jungen an der Schulter.
     »Ungebetener
Besuch und noch so jung.« Der Junge hatte sichtlich Angst. Seine Augen waren zu
zwei glasigen Kugeln aufgerissen.
     Benoit
beugte sich über ihn: »Aus dem falschen Nest gefallen, wie?«
     »BENOIT«,
fuhr es aus mir heraus. »Lass ihn los.«
    Er
haderte mit meinen Worten. Das Gebieterische war seins; selbst damit
konfrontiert zu werden, war für ihn neu und ungewollt.
     Wankelmütig
ließ er schließlich vom Jungen ab. »Er gehört dir«, sprach er ohne Sinn und
Verstand.
     Ich
ging auf den Jungen zu, der sich panisch an die Wand drückte. Mein rechtes Knie
berührte den Boden. »Wie ist dein Name?« Er antwortete nicht. »Hast du einen
Namen?«
     »Die
Zunge scheint festgewachsen zu sein«, wandte Benoit ein. Er wirkte immer mehr
wie ein Fremdkörper. Ich beschloss ihn loszuwerden, kramte in meinem Mantel und
warf ihn ein paar Dollar in die Hand. »Wie du sagtest: Er gehört mir.« Meine
Entscheidung erheiterte ihn.
     »Es
war mir ein Vergnügen.« Er blinzelte den Jungen an und hielt dann nach etwas
Ausschau. Mit klimpernden Taschen stampfte er den von uns eingeschlagenen Weg
zurück, raus aus der Gasse.
     Der
Junge bewegte sich nicht von der Stelle. Nur sein Atem war klar und deutlich zu
hören, in dem die Furcht sich rasend Luft verschaffte. Ich sah seinen Blick auf
der Leiche heften und war mir im gleichen Moment sicher, dass er nicht bloß ein
zufälliger Zeuge des Geschehens war.
     »Du
kennst die Frau, richtig?« Sofort fixierte er mich, gab aber keine Antwort.
Stattdessen blickte er wieder zurück zu dem Haufen.
     »Auch
ich sehe nicht jeden Tag eine Tote. Aber es kommt vor. Du hättest bereits
wegrennen können. Aber du hast es nicht getan.« Ich sprach ruhig und gelassen,
wobei ich mich aber nicht danach fühlte. Der Junge kratzte mit seinen Fingern
gegen den Mörtel der Wand. Seine Fingerkuppen wurden weiß und spröde.
     Der
Regen setzte langsam ein. Erste Tropfen drangen in alles ein, was kein Dach
über den Kopf hatte. Der Junge blickte nach oben. Er trug lediglich ein
fleckiges, nach Benzin riechendes Shirt und eine ausgefranste Jeans, die zu
lang für ihn war. Ich warf mich aus meinem Mantel und reichte ihn ihm. Mit
einer schnellen Bewegung griff er danach.
     »Zumindest
etwas, was du tust.« Ich erlaubte mir ein

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