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D.E.U.S.

D.E.U.S.

Titel: D.E.U.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Degas
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eine
Routinekontrolle. Das nächste Mal vielleicht eine Bestandsabnahme mit
anschließender Gefangenschaft. Die Gezeiten gingen auch mit dem Gesetz.
     Ich
sah weitere Clouds in der Luft, dafür weniger Automobile auf den Straßen. Die
Fortbewegung hatte sich auf die Lüfte ausgeweitet. Das Summen und Surren kam
von oben. Motorengeräusche wurden zu einer Seltenheit. Der Trend zog dennoch
keine weitreichenden Wurzeln: Das Verkehrsaufkommen Neu New Yorks war auf ein
Minimum gesunken. Überhöhte Anschaffungs- und Erhaltungskosten und der Neid der
anderen, was häufigen Diebstahl zur Folge hatte, waren die Gründe, warum sich
viele Bewohner auf ihre Beine verließen.
     Ich
stapfte weiter meinem Ziel entgegen, vorbei an Neonreklamen mit verstaatlichter
Werbung: Schwangerschaftskits neben Bioreis, Kaviar und synthetischem Food.
Meine Gedanken überschlugen sich, mein Magen blieb gelassen. Wir hatten unseren
Hunger auf das Nötigste reduziert, teils aus Notwendigkeit, teils aus Achtsamkeit.
Man wusste nie, wohin einem der Verzehr von künstlichem Fleisch, Fisch und
Gemüse führte. Die armen Seelen in den unteren Ebenen konnten einem Geschichten
davon erzählen. Das war nichts, was in Neonpink auf Reklametafeln prangte.
     »Frische
Ware auch für Sie, Mister Sid!?«
     Ich
drehte mich auf dem Absatz um. Ich kannte diese Stimme. Vor mir stand ein
kleiner hagerer Mann mit abstehenden Ohren und Dreadlocks auf dem Kopf,
eingepackt in schlichter grauer Thermokleidung. An seiner Seite, mindestens
einen Kopf größer, stand eine leidliche Schönheit mit langen goldblonden Haaren
und bonbonrotem Schmollmund. Ihr fehlte sichtlich das Gefühl von Wärme. Nur ein
durchsichtiges Plastiktop, enge Ledershorts und hochhackige Schuhe verdeckten
etwas Haut.
     »Ich
habe meine Meinung nicht geändert, Benoit. Es bleibt bei einem Nein.« Er mochte
den Klang seines Namens.
     »Ich
habe ein besseres Angebot für dich. Die Süße ist so gut wie unbenutzt.« Er zog
seine Auslage näher zu sich. »Haley, sag mal was zu meinem Freund hier.« Ihre
Blicke trafen sich für einen flüchtigen Moment. Dann grinste Haley mich an.
     »Ich
kann dir den Sonnenschein zurückbringen, wenn du magst.« Sie berührte meine
Wange mit ihrer ausgekühlten Hand. Ich fand es ermüdend, wie sie sich Unschuld
heischend an den Falschen ranmachte.
     Sie
war Benoits Marionette, der nur das schnelle Geld roch.
     »Kein
Interesse«, gab ich ihr als Antwort. Meine Hand legte sich auf ihre und zog sie
runter, zurück neben die Shorts. Ich machte mich an den Abgang. Haley verlor
nicht die Haltung, im Gegensatz zu ihrem Zuhälter. Seine Gefäße pumpten mehr
Blut in seinen Kopf, als gut für ihn war.
     »Verschwinde,
Süße«, sagte er und schob sich dabei an ihr vorbei. Ich war bereits einige
Schritte voraus. Er ließ nicht locker und holte mich wieselflink ein.
     »Wenn
dich das lebende Fleisch auch nicht befriedigt, so vermag es ja vielleicht das
tote.« Sein Blick punktierte die Frage in mir. Ich hielt an. Er streifte an mir
vorbei und verschwand in einer der ungezählten Gassen zu unserer Rechten.
Diesmal wartete er nicht auf eine Antwort, er wusste, dass er mich gepackt
hatte; meine reine Neugierde wollte mehr wissen.
     Ich
warf noch einmal einen Blick zurück. Der Bürgersteig hatte sich geleert. Haley
war verschwunden.
     Mein
Vorläufer kannte sich in Neu New York besser aus als ich. Er war stadtbekannt.
Doch die Exekutive scherte sich nicht um seinesgleichen. Prostitution war
überall und nirgendwo. Auf der unteren Ebene zählte der Beischlaf mehr als
Kommunikation. In Sektor C, mit seinen aufgegebenen Refugien, die sich über die
Jahre in Ruinen verwandelten, und der brachliegenden, verloren gegangenen
Industrie, fand man die käufliche Liebe an jeder Straßenecke. Volljährigkeit
war dabei nur ein Unterthema – die Lust wurde auch am Kindlichen gestillt.
     Benoit
blickte sich nicht zu mir um. Ich vernahm dennoch ein leises Flüstern aus
seinem Mund, konnte aber auf die Entfernung nichts verstehen. Er ging schnell
und immer zwei Wagenlängen voraus.
     Wir
kamen in eine breite Gasse, die Geräusche der Massen konserviert auf wenige
Fetzen postmodernem Zeter und Mordio. Plötzlich wurde Benoit lauter:
     »Kaltes
Fleisch ruht sanft unter schmutzigen Laken«, er blieb stehen und sah mich
schelmisch grinsend an. »Der Regen vermag es nicht hinfort zu spülen. Gott
...«, mit einem Fingerzeig zum Himmel und in die Gasse »... hat das

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