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Deutsche Geschichte

Deutsche Geschichte

Titel: Deutsche Geschichte
Autoren: Manfred Mai
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Kaiser, von dem im Verlauf des Krieges immer weniger zu sehen und zu hören war, den Heldentod oder wenigstens die Abdankung nahe. Aber Wilhelm II. wollte beides nicht und floh im Salonwagen ins Exil nach Holland.
    Der Reichskanzler Prinz Max von Baden verkündete am 9. November 1918 gegen 12.00 Uhr unter dem Druck der Massen eigenmächtig die Abdankung des Kaisers. Eine Stunde später trat er selbst zurück und ernannte den Führer der MSPD, Friedrich Ebert, zum Reichskanzler – obwohl er dazu überhaupt nicht befugt war. »Herr Ebert, ich lege Ihnen das Deutsche Reich ans Herz«, soll der letzte kaiserliche Reichskanzler dabei gesagt haben.
    Doch damit war keinesfalls entschieden, wie das neue Deutschland aussehen sollte. Alles war noch möglich, von einer demokratisierten Hohenzollern-Monarchie bis zur sozialistischen Räterepublik nach russischem Vorbild. Aber an diesem 9. November überstürzten sich die Ereignisse. Zehntausende zogen durch Berlin und forderten: »Alle Macht dem Volk!« oder »Alle Macht den Räten!«
    Da rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann gegen 14.00 Uhr vom Balkon des Reichstags die »Deutsche Republik« aus. Wenig später verkündete der Sozialist Karl Liebknecht vor dem Berliner Schloss die »Freie sozialistische Republik Deutschland«.
    Anders als in Russland setzten sich in Deutschland die gemäßigten gegen die radikalen Kräfte durch. Ebert und Scheidemann wollten keinen völligen Umsturz der Verhältnisse. Ihnen ging es vor allem darum, eine parlamentarische und soziale Demokratie zu errichten.
    In der Diskussion um das Ende des Kaiserreichs und die Entstehung der ersten deutschen Republik gibt es bis heute Stimmen, die Ebert und Scheidemann vorwerfen, sie hätten die große Chance zu einem wirklichen Neubeginn vertan, indem sie die »Novemberrevolution« auf halbem Weg stoppten und mit den alten Mächten zusammenarbeiteten. Wer diesen Vorwurf erhebt, muss sich jedoch die Frage gefallen lassen, ob das Volk die »ganze Revolution« überhaupt wollte. Die Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung am 19. Januar 1919 – bei der zum ersten Mal in der deutschen Geschichte alle Männer und Frauen wählen durften – beantwortete diese Frage: Die gemäßigten Kräfte (SPD, Zentrum, Linksliberale) erhielten 76 % der Stimmen. Für eine sozialistische Revolution gab es in Deutschland keine Mehrheit.

Die Weimarer Verfassung und
der Versailler Vertrag
    In Berlin kam es nach dem 9. November immer wieder zu Kämpfen zwischen revoltierenden Kräften und Soldaten so genannter »Freikorpstruppen«, die im Auftrag der Regierung für Ruhe und Ordnung sorgen sollten. Dabei wurden am 15. Januar 1919 mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auch die führenden Köpfe der neu gegründeten Kommunistischen Partei gefangen genommen und von Freikorpsoffizieren heimlich ermordet. Diese gemeinen Morde von Offizieren der alten Armee trugen erheblich zur Verschärfung der politischen Gegensätze bei.
    Weil die Lage in Berlin zu unsicher war, trat die Nationalversammlung am 6. Februar 1919 in Weimar zusammen, um der neuen Republik eine Verfassung zu geben. Es wurde eine sehr demokratische Verfassung, die zum ersten Mal in der deutschen Geschichte das allgemeine, gleiche, unmittelbare und geheime Wahlrecht für Männer und Frauen enthielt. Ebenfalls zum ersten Mal war die Regierung dem Reichstag verantwortlich. Als eine Art Ersatzkaiser hatte der direkt vom Volk gewählte Reichspräsident eine sehr starke Stellung, vor allem in Krisenzeiten. Über die Einhaltung der Verfassung und der Gesetze sollten unabhängige Gerichte wachen. Im zweiten Teil der Verfassung wurden die Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen aufgeführt.
    Nach all den gescheiterten Versuchen vom Heilbronner Bauernparlament 1525 bis zur Nationalversammlung von 1848 wollten es die 382 Männer und 41 Frauen wohl besonders gut machen. Und für einen Staat mit demokratischer Tradition wäre die Weimarer Verfassung auch bestens geeignet gewesen. Für Deutschland mit seiner Untertanentradition aber war sie das nicht.
    Die Verfassungsväter und -mütter rechneten auch viel zu wenig mit den zahlreichen Gegnern des neuen Staates. »Alle Rechte und Freiheiten auch für die Feinde dieser Rechte und Freiheiten« könnte man als Motto über die Weimarer Verfassung schreiben. Diese Feinde missbrauchten die Rechte und Freiheiten vom ersten Tag an. Ehrlich und aufrichtig hinter der Weimarer Republik standen von Anfang an nur die Parteien der
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