Deutsche Geschichte
innenpolitischen Auseinandersetzungen um die Macht verschärfen und um der Revolution willen vielleicht sogar einen Waffenstillstand vorschlagen.
Die Rechnung schien aufzugehen. In der »Oktoberrevolution« errangen die Bolschewiki unter Lenins Führung die Macht in Russland – und als Erstes wollte Lenin Frieden. Die OHL sah eine Chance, den Krieg doch noch zu gewinnen. Es kam zu deutsch-russischen Verhandlungen, an deren Ende der Friedensvertrag von Brest-Litowsk stand. Russland musste Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen und die Ukraine abtreten, womit es große Rohstoffvorkommen, wichtige Industriegebiete, riesige Ackerflächen und ein Drittel seiner Bevölkerung verlor. Diesen »Diktatfrieden« unterschrieben die Russen nur unter Protest, aber Lenin wollte den Frieden um jeden Preis, damit er im Innern die Herrschaft der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte durchsetzen und eine »Räterepublik« – Russisch: Sowjetrepublik – aufbauen konnte.
Im Nachhinein erscheint es paradox: Da schleusten erzkonservative Generale und Politiker der deutschen Monarchie russische Revolutionäre durch Deutschland, um die Unruhen in Russland anzuheizen und das Land aus dem Gleichgewicht zu bringen – und wurden so ungewollt zu Geburtshelfern der Sowjetrepublik, die bald darauf zur kommunistischen Sowjetunion wurde.
Siegfrieden oder Verständigungsfrieden?
Wie in Russland nahmen Not und Kriegsmüdigkeit auch in Deutschland weiter zu. Seit dem Frühjahr 1917 kam es immer wieder zu Streiks und Meutereien, die jeweils durch Zugeständnisse oder Druck beendet wurden. Auch der innenpolitische Burgfrieden hielt nicht mehr wie zu Beginn des Krieges.
Als der Reichstag im Juli 1917 neue Kriegskredite bewilligen sollte, kam es in der SPD zum Streit und zur Spaltung. Die Unabhängige SPD (USPD) mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg an der Spitze lehnte die Kriegskredite ab und wollte einen sofortigen Frieden »ohne Annexionen« (die gewaltsame Aneignung von Land). Die Mehrheitssozialisten (MSPD) unter Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann standen nach wie vor zum politischen Burgfrieden, versuchten aber zusammen mit anderen Parteien Einfluss auf die offizielle Politik zu gewinnen. Die spätere »Weimarer Koalition« aus SPD, katholischer Zentrumspartei und Linksliberalen fand sich hier zum ersten Mal zusammen und forderte einen Frieden ohne Annexionen und ohne Zahlungen der Besiegten an die Sieger. Aber die Volksvertreter waren noch nicht geschickt und stark genug, um sich gegen die Regierenden durchzusetzen. Vor allem das Feld- herrenpaar Hindenburg/Ludendorff kümmerte sich nicht um Reichstagsbeschlüsse und errichtete nach dem Sieg im Osten faktisch eine Militärdiktatur. Beide lehnten einen Verständigungsfrieden immer noch ab und wollten im Frühjahr 1918 auch im Westen die Entscheidung auf dem Schlachtfeld erzwingen. Noch einmal mussten hunderttausende sinnlos sterben.
Im September 1918 konnte die OHL nicht mehr länger leugnen, dass der Krieg verloren war. Doch die Niederlage eingestehen wollten die Feldherren trotzdem nicht. Da entwarf General Ludendorff einen Plan:
Die Ehre der Armee müsse gerettet werden, koste es, was es wolle. Das Waffenstillstandsgesuch dürfe also nicht die OHL machen.
Es solle von den Parteien vorgebracht werden, die seit langem für einen Verständigungsfrieden eintraten: SPD, Zentrum, Liberale.
Dafür sollten diese Parteien an der Regierung beteiligt werden.
Ludendorffs Ziel war offensichtlich: Armee und OHL sollten mit der Schmach der Kapitulation nicht in Verbindung gebracht, die Verantwortung für die Konsequenzen aus der Niederlage den Parteien zugeschoben werden. Für die tatsächlich Verantwortlichen war dieser Plan genial, für die kommende »Weimarer Republik« aber sollte er sich als verhängnisvoll erweisen.
Die Novemberrevolution
Im Herbst 1918 befahl die oberste Flottenführung, zum letzten Gefecht gegen die englische Flotte auszulaufen. Doch jetzt wollten viele Matrosen kein Kanonenfutter mehr sein und verweigerten am 29. Oktober 1918 den Gehorsam. In den folgenden Tagen breitete sich die Revolte, die in Wilhelmshaven und Kiel begonnen hatte, immer weiter aus. Überall wurden nach russischem Vorbild Arbeiter- und Soldatenräte gebildet, die die politische Macht an sich rissen. Die bisher herrschenden Kräfte sahen dem revoltierenden Treiben staunend und tatenlos zu. Sie schienen nicht fassen zu können, was ihre braven Untertanen da taten.
Die Generalität legte dem
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