Deutsche Geschichte
Weimarer Koalition und die Gewerkschaften.
Von entscheidender Bedeutung für die junge Republik wurden die Friedensbedingungen der »Alliierten«, wie man die gegen Deutschland verbündeten Staaten nannte.
Sie wählten Tag und Ort für die Eröffnung der Friedensverhandlungen sehr bewusst: Am 18. Januar 1871 war Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen und damit das Deutsche Reich gegründet worden. Am 18. Januar 1919 versammelten sich am gleichen Ort die Vertreter der Siegermächte, um über dieses Reich zu richten. Und was den Deutschen drei Monate später vorgelegt wurde, glich dem »Diktatfrieden« von BrestLitowsk:
Deutschland sollte ein Siebtel seines Gebietes, ein Zehntel seiner Bevölkerung, drei Viertel der Erz- und ein Drittel der Steinkohleförderung sowie alle Kolonien abtreten.
Deutschland durfte nur noch ein stehendes Heer von höchstens 100000 Mann und keine schweren Waffen, Panzer,U-Boote und Kriegsschiffe mehr haben.
Deutschland und seine Verbündeten, so hieß es, seien allein schuld am Ausbruch des Krieges gewesen und hätten deswegen auch für alle Verluste und Schäden geradezustehen.
In Deutschland lösten diese harten Friedensbedingungen Enttäuschung, Empörung und Wut aus. Die deutsche Regierung versuchte zu verhandeln, aber dazu waren die Sieger nicht bereit. Sie bestanden auf ihren Forderungen und drohten, den Krieg wieder aufzunehmen, wenn Deutschland den Vertrag nicht annehme.
Reichskanzler Scheidemann rief aus: »Welche Hand müsste nicht verdorren, die sich und uns in solche Fesseln legt!« Er weigerte sich, den Versailler Vertrag zu unterzeichnen, und trat zurück.
Reichspräsident Ebert setzte sich mit der OHL in Verbindung, um deren Meinung zu hören. Doch Hindenburg ließ sich nicht sprechen, und Ludendorffs Nachfolger Groener sagte, die OHL gebe keinen Kommentar. »Nicht als General, sondern als Deutscher« riet er: »Der Friede muss unter den vom Feinde gestellten Bedingungen abgeschlossen werden.«
Hätten die OHL und der Kaiser die Verantwortung für die Niederlage übernommen und den Friedensvertrag von Versailles wie den von Brest-Litowsk unterzeichnet, wäre die deutsche Geschichte mit Sicherheit anders verlaufen. Aber die großen Feldherren haben nicht nur den Untergang des Kaiserreiches mit verschuldet; durch ihre Feigheit vor dem eigenen Volk haben sie auch wesentlich zum Untergang der ersten deutschen Demokratie beigetragen. Denn nun mussten die Politiker der Weimarer Koalition den Vertrag unterzeichnen – und damit waren sie in den Augen vieler Menschen für den »Schandfrieden« und die »Schmach von Versailles« verantwortlich, wie man von nun an sagte. Rechte Parteien und Verbände nannten die Politiker der Koalition »Vaterlandsverräter« und behaupteten, sie seien die wahren Schuldigen an der Niederlage. Dabei beriefen sie sich auch auf Hindenburg, der öffentlich gesagt hatte, die Armee habe den Krieg überhaupt nicht verloren. Vielmehr sei sie »im Felde unbesiegt« gewesen und durch sozialistische Hetze und Friedenspropaganda »von hinten erdolcht« worden. Diese »Dolchstoßlegende« wurde zu einer großen Belastung für die junge Republik.
Gefährdung und Stabilisierung der Weimarer Republik
Bei der Reichstagswahl vom 6. Juli 1920 zeigten sich schon die ersten Auswirkungen der Hetze von rechts und von links: Die Parteien der Weimarer Koalition stürzten von 76% auf 43 % ab. Damit waren sie auf Unterstützung, zumindest jedoch auf Duldung wenigstens einer Partei von links oder rechts angewiesen. Unter diesen Umständen war eine kontinuierliche Parlaments- und Regierungsarbeit praktisch unmöglich. Im Durchschnitt wechselten die Regierungen nun etwa alle neun Monate.
Diese Schwäche wollten Nationalisten und Kommunisten ausnützen, um die Macht zu ergreifen. Es gab mehrere Aufstände, Putschversuche und zahlreiche Attentate. Als Matthias Erzberger, der den Waffenstillstand unterzeichnet hatte, und Außenminister Walther Rathenau (»Schlagt tot den Walther Rathenau, die gottverdammte Judensau!«) ermordet wurden, war der Jubel in Deutschland mindestens so groß wie die Betroffenheit und Trauer.
Insgesamt gab es zwischen 1918 und 1921 in Deutschland 376 politische Morde. 354 wurden von rechtsradikalen Tätern begangen, von denen 28 milde Gefängnisstrafen erhielten. Von 22 linksradikalen Tätern wurden 18 bestraft, davon 10 mit dem Tod.
Wenn nicht blind, so war die Justiz auf dem rechten Auge jedenfalls sehr kurzsichtig.
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