Deutsche Geschichte Von 1815-1870
eine durchaus sorgfältige; er studirte Medicin in Halle und Berlin, gab aber dieses Studium bald für das der Staatswissenschaften auf und erhielt, als er nach Frankfurt zurückkehrte, die Stelle eines Polizeiactuar's in dem damaligen Großherzogthum Frankfurt, welches unter der Herrschaft Dalberg's, des Fürsten Primas, stand. Als die Reichsstadt nach Napoleon's Fall wieder in die alten Verhältnisse eintrat, konnte man keinen Juden als Beamten dulden,
Börne
verlor seine Stelle und widmete sich von da an ganz der Publicistik und Journalistik.
Karl Gutzkow
sagt in seinem schönen und warm empfundenen Buche über Börne, dieses Ereigniß berührend: »Das war der Sonnenblick, an dem sich seine politischen Begriffe aufhellten; der Zusammenhang, in dem sein eigenes Ergebniß mit dem stand, was sich mit dem Jahre 1815 rings um ihn her zu offenbaren begann.« – Von da an hat dann auch Börne bis zu seinem Tode 1837, den Kampf gegen die Gewalthaber bis zum letzten Athemzuge mit allen Waffen seines scharfen und erfinderischen Geistes, mit der vollen Wärme seines großen und edlen Herzens fortgeführt. Anfänglich für sein Stammvolk eintretend, erkannte er bald, wie innig dessen Geschick mit dem des ganzen übrigen Vaterlandes verbunden war, und Beides gehörte ihm nun unzertrennlich zu einander. Auch er wurde öfter seines Freimuths halber angeklagt, verhaftet, dann wieder freigelassen, bis er, Dank seiner unabhängigen Stellung, sich zeitweise ein Asyl in der Schweiz oder in Frankreich suchen, endlich nach der Revolution von 1830 ganz nach Paris übersiedeln konnte. Dort fand sein Geist die rechte Nahrung und die Bedürfnisse seines liebevollen Gemüthes befriedigte das zarte und innige Freundschaftsverhältniß, das ihn bis zu seinem Tode mit einer Frankfurterin, der geistvollen Frau Wohl, verband, die mit ihrem Manne in Paris lebte. – Börne's Geist ist dem französischen vielfach verwandt durch die Klarheit und Schärfe seiner Ausdrucksweise, wie auch durch den sprühenden esprit, der ihn auszeichnet; damit verband er ein echtes deutsches Herz und eine Eigenschaft, die nur der Germane in solcher Weise besitzt,
einen Humor
, der ganz unwiderstehlich mit sich fortriß und der vorzugsweise seine geistige Verwandtschaft mit
Jean Paul
begründete. Wer kann heute noch die kleinen humoristischen Schriften Börnes: den Janustempel, den Eßkünstler, die Postschnecke und wie sie Alle heißen, lesen, ohne sich auszuschütten vor Lachen. Als Herausgeber verschiedener Zeitschriften für Wissenschaft und Kunst, die letzte und berühmteste derselben war die Wage – wußte er in die harmlosesten Begriffe, wie die Obengenanten, Alle seine politischen Geißelhiebe und Urtheile zu verflechten, und er schrieb nichts, keine Recension, keinen noch so kleinen Aufsatz, der nicht seine besonderen politischen Nebenbeziehungen gehabt hätte. Niemand verstand dafür die Sprache so zu handhaben, die Ausdrucksweise so zu wählen wie er, mit einem Worte konnte er vernichten, mit einem Worte das Höchste und Zarteste ausdrücken und mit Recht hat ihn ein bekannter Literaturhistoriker
das scharfe Messer der öffentlichen Meinung
genannt. Ganz unvergleichlich sind auch Börne's Kritiken des damaligen Frankfurter Theaters; wie zermalmte er die in jener Zeit so beliebten Schicksalstragödien, die Müllner, Houwald u.s.w., wie wußte er die Shakespeare'schen Dramen auszudeuten, wie verherrlichte er die
Sonntag
, wie bezeichnete er mit einem kurzem Bilde das Wesen der berühmten
Maria Taglioni
, wenn er von ihrem Tanze sagte: »Sie umgaukelte sich selbst, sie war Blume und Schmetterling zugleich!« –
Weiter und weiter breitete der Ruhm und der Einfluß des jungen Schriftstellers sich aus, aber ein wahres Entzücken erregte überall seine berühmte Denkrede auf Jean Paul, die 1826 erschien, und in der es zum ersten Male voll und ganz ausgesprochen wurde, wie tief dieser große Dichter für sein eignes Volk empfunden, wie er sich nicht vor ihm in olympische Höhen zurückgezogen, sondern wie er mit ihm geduldet, wie er mit den Armen, den Beladenen und Unterdrückten gelitten und gefühlt habe. Dies war es, was Börne bei Jean Paul Richter so mächtig anzog, was ihn von Goethe abstieß, dem er dessen klassische Ruhe bei den Leiden seiner Nation ja bekanntlich viel zu herbe und bis zur Ungerechtigkeit vorgeworfen hat.
Es gibt wenig Prosaschriften in unserer reichen Literatur, in welchen der Glanz, das hinreißende, tiefe Pathos unserer deutschen
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