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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Sprache so meisterhaft benutzt und angewendet worden ist, als in dieser Denkrede auf Jean Paul, die man immer und immer wieder lesen mag, und die es so vollkommen ausspricht, was Jean Paul, trotz der Ungenießbarkeit seiner dichterischen Form, für die ganze innere Entwicklung unserer Nation gewesen ist. Mag es die heutige Generation auch kaum noch nachempfinden, dennoch bleibt es ewig wahr, was Börne damals am Schlusse seiner Rede ausrief: Fragt Ihr, wo er geboren, wo er gelebt, wo seine Asche ruht? Vom
Himmel
ist er gekommen, auf der
Erde
hat er gelebt, unser
Herz
ist sein Grab! –
    Am bedeutungsvollsten aber für die damalige Zeit wurden Börne's »
Pariser Briefe
«, die in vielen Bänden erschienen sind, und mit athemloser Spannung und Begeisterung in Deutschland aufgenommen wurden, wie sehr sie auch von oben her verpönt und verboten waren. Die volle, mächtige Liebe, die Börne für Deutschland hegte, und all der bittere Groll, der ihn erfüllte, weil sein geliebtes Volk noch immer in den Kinderschuhen stehen blieb, ist in diesen Briefen ausgesprochen; man hat seine Bitterkeit vielfach mißdeutet und geschmäht, man hat ihm vorgeworfen, er sei ein Franzosenfreund geworden, und ist dies namentlich durch den bekannten Wolfgang Menzel geschehen, aber Niemanden that man damit größeres Unrecht als Börne. Wie einst Tacitus den entarteten Römern, als Spiegelbild die Germanen entgegenhielt, so übertrieb auch Börne mitunter die Vorzüge und die politische Reife der Franzosen, um die Deutschen dadurch anzustacheln sich endlich ihres Gleichmuths, ihrer Thatlosigkeit zu entschlagen. Er züchtigte uns mit Worten, nicht um uns zu verachten, sondern uns zu erziehen, gleich einem strengen, aber liebevollen Vater, und er hat wahrlich sein ehrlich Theil dazu beigetragen, daß der Deutsche sich endlich seiner eignen Kraft bewußt geworden. Hören wir eine kleine Probe dieses stachelnden Witzes, dieser Geißelhiebe durch die er die Träumenden zu erwecken trachtete. Börne schreibt einen Brief aus einer kleinen französischen Provinzstadt, wo bekanntlich die Langeweile zu Hause ist, und indem er schildert, was er darunter leidet, ruft er aus: »O, theures Vaterland, wie einfältig verkannte ich deinen Werth! Dort fand ich in jedem Nachtquartiere eine kleine Residenz, oder den Sitz einer hohen Regierung, oder eine Garnison, oder eine Universität, und in jedem Gasthofe eine Weinstube mit scharf geprägten Gästen, die meinem Geiste Stoff gaben bis zum Einschlafen! Aber hier in diesem vermaledeiten rathlosen Lande! Seit acht Tagen sitze ich Abends allein auf meinem Zimmer und verschmachte! Ach, wie gerne hätte ich für jeden Lieutenant einen Schoppen bezahlt, für jeden Hofrath eine Flasche, für jeden Professor zwei Flaschen, für einen Studenten drei, und hätte ich gar einen Schöngeist, einen Kritiker an's Herz drücken können, wäre mir der ganze Keller nicht zu viel gewesen! – Hofräthe, Hofräthe, wenn ich je wieder Eurer spotte, dann schlagt mir auf den Mund und erinnert mich an
Dormans
!« Nach diesem Erguß richtet Börne ein Gebet an die größte Göttin der Deutschen, an die
Geduld
, das mit den Worten endet: »deutsche mich gute Göttin, von dem Scheitel bis zur Sohle, und lasse mich dann friedlich ruhen in einem Naturalienkabinet, unter seltenen Versteinerungen. Ich will dir von nun an auch treuer und gehorsamer dienen: die Didaskalia will ich lesen, und das Dresdner Abendblatt und den
Hegel
, bis ich ihn verstehe. Ich will bei jedem Regenwetter ohne Schirm vor dem deutschen Bundes-Palast stehen und warten, bis sie herauskommen und die Preßfreiheit verkündigen. Ich will in den Ländern das Treiben des Adels beachten und nicht des Teufels werden, und nicht eher komme Wein über meine Lippen, bis dich die guten Deutschen aus dem Tempel jagen und dein Reich endiget!« –
    Börne sollte dies Ende nicht erleben, er starb zur Zeit von Deutschlands tiefster Misere, von allen Freigesinnten tief betrauert. Auf dem Père la Chaise ruht seine Asche in fremde Erde und der Franzose Raspail sprach an seinem Grabe.
    Weit entfernt von Börne's sittlicher Hoheit und Reinheit steht neben ihm sein Glaubensgenosse
Heinrich Heine
, ihm jedoch vollständig ebenbürtig an Geist, schlagendem Witz und steter Kampfbereitschaft. Als lyrischer Dichter steht er unerreicht über ihm, indessen haben wir uns hier mit dieser Seite seines Schaffens nicht zu beschäftigen, nicht näher darzulegen, in wie weit Heine noch mit der

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