Deutsche Geschichte Von 1815-1870
hochbegabte Mann, vom Juden zum Christen übergegangen, hatte den neuen Glauben in seinen extremsten Richtungen erfaßt, und vermöge seines scharfen Geistes schnell erkennend, wo die meiste Aussicht auf irdischen Erfolg zu finden sei, ergriff er ohne Zaudern die Partei der Herrschenden. Alle seine reichen Fähigkeiten, die Fülle seiner juristischen Kenntnisse verwendete er nun darauf, als einer der Ersten vom Lehrstuhle herab den Grundsatz:
Vom unbedingten göttlichen Rechte der Fürsten
, aufzustellen und zu vertheidigen. Stahl war ein gewaltiges Rüstzeug im Dienste der Mächtigen, dafür lohnte ihm denn auch reichlich der Spott und die Verachtung seiner Nation, und – was noch härter sein muß für einen Mann des Geistes und der Wissenschaft, seine Lehre ist falsch befunden worden und er hat, wie fromm er sich auch dabei geberden mochte, doch nur dem Lügengeiste gedient, anstatt dem Geiste der Wahrheit und des Rechtes. – Nicht weniger ungern sah man die Berufung des Naturphilosophen
Schelling
aus München nach Berlin; kamen doch Beide aus Baiern, wo seit mehreren Jahren das Ministerium
Abel
die Vorherrschaft der ultramontanen Dunkelmänner ganz ebenso sehr begünstigte, wie dies in Berlin mit den Pietisten geschah. Am meisten aber empörte es in Preußen, als man den Herrn von
Hassenpflug
aus Kassel in das Obertribunal berief. Man wußte, was dieser Mann bereits im Hessischen geleistet, wie er dort als Minister die Verfassung mißhandelt hatte, was er als Absolutist und Frömmler zu thun fähig war – nein, diesen Mann wollte man um keinen Preis dulden, und so mißliebig war er, daß ihm die Jungen in Berlin auf den Straßen entgegensangen: »Wir wollen ihn nicht haben den Herrn von Haß und Fluch!« – Maßregeln gegen die Schulen und deren Lehrer wie auch gegen freigesinnte Prediger, Verfolgungen von Hallenser Studenten, die in einer Petition an den akademischen Senat die Berufung von
David Strauß
verlangt hatten, vollendeten die eben geschilderte Mißstimmung. Als der fromme König das fromme Stück Raeine's, die
Athalie
aufführen ließ, pfiffen es die Berliner aus, und bei dem Jahresfeste der Freiwilligen von 1813, standen die Daten
der Edicte
, die König Friedrich Wilhelm III. in den Zeiten der Noth erlassen hatte, an die Wand des Versammlungsortes gedruckt und darunter dessen eigene Worte: »Es soll eine Repräsentation des Volkes gebildet werden.« Solche Dinge veranlaßten stete Plänkeleien mit der Polizei; aber ernster wurde die Sache, als nun
Schön
, des Königs treuester Freund, seine Schrift veröffentlichte: Woher? und Wohin? Der Inhalt derselben drehte sich um die Darlegung der Vortheile für Fürst und Volk, wenn man die verschiedenen Provinziallandstände in einen Körper vereinigte, und betonte scharf die Nothwendigkeit eines solchen Vorgehens. Die höchst eindrucksvolle Schrift schloß mit den prophetischen Worten: »die Zeit der
väterlichen
Regierungen läßt sich nicht mehr zurückführen. Wenn man die Zeit nicht nimmt, wie sie ist, das Gute daraus ergreift und es in seiner Entwicklung fördert,
dann straft
die Zeit!« –
Diese Schrift war Labsal für ein dürstendes Volk; überall wurde Schön als Bürgerfreund begrüßt und gefeiert, nur in der preußischen Rheinprovinz bildete sich als Gegensatz der bekannte und berüchtigte »
Adelsverein
«, dessen Mitglieder sich »
Einen Verein der Edlen
, die das Diplom des Seelenadels in der Brust tragen!« nannten. Sie griffen Schön mit den gemeinsten Schmähungen an, die sich bis zur Wuth steigerten, als nun ein Königsberger Arzt, ein Jude, der berühmte
Johann Jacoby
, neben Jenem auf dem Kampfplatz erschien und seine vier Fragen an das preußische Volk richtete. Wahrhaft packend für Jedermann war die Klarheit und Schärfe der kurzen Schrift, die sich um vier Fragen und deren schlagende Beantwortung drehte: 1) Was wünschen die ostpreußischen Stände? 2) Was berechtigt sie? 3) Welcher Bescheid wird ihnen? 4) Was bleibt ihnen zu thun übrig? –
Wir kennen die Sachlage genügend und brauchen auf die Beantwortung der Fragen, die nur wenige Bogen umfaßte, darum nicht ganz nahe einzugehen; bei der dritten Frage wurde besonders schlagend hervorgehoben, wie das Edict des verstorbenen Königs vom 22. Mai 1815, das eine Verfassung verheißen, noch vollkommen zu Recht bestehe und daß selbst ein König nicht das Vorrecht besitze, den Sinn dieses Edicts nach seinem Wunsche zu drehen und zu deuteln, wie man es jetzt zu thun versuche. Die
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