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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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haben.
    Unterzeichnet war der Brief
Johannes Ronge
, katholischer Priester zu Laurahütte in Schlesien. Dort lebte der junge Mann als Erzieher in der Familie eines Beamten des Hüttenwerks, nachdem er sich schon früher durch einen aufgeklärt geschriebenen Aufsatz bei seinen Vorgesetzten mißliebig gemacht und darum suspendirt worden war. – Es wird heute vielfach behauptet, Ronge habe den Brief nicht selbst geschrieben, sondern ein gewisser Otto Lindner, ein höchst geistvoller Mann, der lange Zeit Mitredakteur der Vossischen Zeitung gewesen und vor einigen Jahren gestorben ist, sei der Verfasser desselben; Ronge habe nur den Namen dazu geliehen. Jedenfalls aber gehörte so wie so auch dazu ein höherer moralischer Muth, denn das Wuthgeschrei der Zeloten gegen den Abtrünnigen war nicht kleiner als der Jubel der Aufgeklärten. Ronge's Brief konnte um so weniger ohne Folgen bleiben, als auch von anderer Seite her, unabhängig von den Ereignissen in Trier, sich Gelüste des Abfalls von der Orthodoxie gezeigt hatten. Fast gleichzeitig mit der Ausstellung des Rockes hatte sich in
Posen
, in
Schneidemühl
, eine
freie Gemeinde
gebildet unter der Leitung eines jungen Priesters, Namens
Czersky
. Bei ihm hatte die Liebe zu einer junger Polin, die er heirathete und damit offen gegen das Priester-Cölibat protestirte, den Anstoß zum Widerstand gegeben, und auch sein Vorgehen fand den lebhaftesten Beifall. Czersky wurde von seiner Kirche excommunicirt und Ronge traf ein gleiches Schicksal, nachdem er zum Widerruf aufgefordert, denselben mit festem Muthe abgelehnt. Die nächste rasche Folge dieser Vorgänge war die Bildung von sogenannten
deutsch-katholischen
Gemeinden, die aus Katholiken bestanden, welche dem ursprünglichen katholischen Glauben treu bleiben wollten, sich aber von Rom lossagten und zugleich einige der widersinnigsten Dogmen zu beseitigen strebten, sich darauf stützend, daß dieselben erst später und willkührlich entstanden seien. Viele katholische Geistliche traten mit ihren Pfarrkindern über und in überraschend kurzer Zeit waren in einer Menge von Städten deutsch-katholische Gemeinden entstanden. Johannes Ronge begann jetzt Rundreisen durch Deutschland um der neuen Lehre Anhänger zu erwerben; wo er hinkam, wurde er empfangen wie ein Apostel, wie ein Gott. Alles drängte sich zu seinen Predigten, Katholiken, Protestanten und Juden, es floß, mit einem Worte, in dieser Bewegung Alles zusammen, was man bis dahin mühsam unterdrückt hatte. Das Politische vermischte sich mit dem Religiösen, man durfte sich doch einmal wieder öffentlich aussprechen, man empfand doch endlich wieder einmal einen freieren Flügelschlag des Geistes, und wir wissen, wie empfänglich gerade das deutsche Volk für einen solchen Aufschwung ist, wo das geistige Bedürfniß durch das gemüthliche unterstützt und getragen wird. Welch ein Moment wäre dies für einen erleuchteten Staatsmann oder einen weisen Fürsten gewesen, jetzt eine
deutsche Kirche
zu gründen, Deutschland vollständig loszulösen von Rom, da die vorwiegende Zahl der Katholiken sich ganz einverstanden mit einer Verjüngung ihrer Glaubenssätze zeigte. Wie hätte man sich damit die heutigen Kämpfe ersparen können, aber
Preußen's König
, der denn doch den Ausschlag hätte geben müssen und in dessen Staaten, namentlich in
Schlesien
, die Bewegung am stärksten war, und
Preußen's Minister
waren für solche Erwägungen blind und taub. Man sah in der ganzen Bewegung nur das Erwachen eines selbstständigen Geistes, man nahm das reformatorische Bestreben, das darin lag, für ein revolutionäres und indem man es verschmähte, dasselbe auf die rechten Wege zu leiten, erleichterte man den Conflikt, der endlich ausbrechen mußte. – Wie sehr waren nun aber auch schon die Hoffnungen geschwunden, die man auf Friedrich Wilhelm IV. gesetzt hatte; noch einmal hatten sie sich geregt, als er im Jahre 1842 eine Reise nach England unternahm, wo er den Prinzen von Wales aus der Taufe hob. Man erwartete und glaubte, der Anblick eines freien und glücklichen Landes, das nur durch seine Gesetze und Institutionen regiert werde, müsse den gebildeten und gescheidten Mann doch davon überzeugen, wie ungefährlich es für einen Fürsten sei, sich solchen Institutionen anzuvertrauen. Es wurde ihm auch dort von vielen und einflußreichen Persönlichkeiten zugeredet, nun endlich sein Wort zu halten und Preußen eine Verfassung zu geben. Der damalige Staatskanzler
Lord

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