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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Männer, welche man so übermäßig feierte, weil man sich eben nicht anders Luft machen konnte, dadurch vielfach dem tragischen Schicksal der Selbstüberschätzung verfielen, ist natürlich. Noch schlimmer war es für sie, daß sie schließlich als Menschen erfunden werden mußten, nachdem man sie in übertriebenster Weise wie halbe Götter verehrt hatte.
    Nichts destoweniger wird Ronge's Name immer der Brennpunkt einer Bewegung bleiben, innerhalb welcher sich das beleidigte Gefühl der Nation zuerst wieder einmal energisch ausgesprochen, auch dürfen wir uns hier nicht die Wahrnehmung entgehen lassen wie nun, in Folge der religiösen Erregung, auch die Frauen vielfach anfingen sich an dem öffentlichen Leben zu betheiligen, und ein erhöhtes Interesse dafür zu bethätigen. Ronge hat das Verdienst, zuerst ein tief bedeutsames Wort darüber ausgesprochen zu haben, indem er öfter betonte, wie eine Umwandlung der Zeiten sich nicht vollziehen werde, ohne die Mitwirkung der
Frau
und des
Arbeiters
. Durch ihn angeregt, bildeten sich an vielen Orten Frauen-Vereine, die zunächst nur den Zweck hatten, die nöthigen Mittel aufzubringen, um die jungen Gemeinden lebensfähig zu machen, durch selbst besoldete Prediger. Der junge Deutsch-Katholicismus hatte es in seinem Beginne versäumt, mit Nachdruck den ihm gebührenden Antheil an dem katholischen Kirchenvermögen zu fordern. Er mußte dergestalt früher oder später an seiner finanziellen Misère zu Grunde gehen und ein gleiches Schicksal wird ohnfehlbar die heutigen altkatholischen Gemeinden treffen, wenn sie nicht praktischer zugreifen und in ihrem Verlangen von den Regierungen kräftig unterstützt werden. – Blicken wir aber zurück auf jenen vorhergehenden Kampf gegen Rom und die Hierarchie, so entrollt sich uns eine glänzende Kette von gegenseitiger Opferfreudigkeit, von uneigennützigster Hingebung und von apostolischem Eifer Seitens der jungen Männer, die die karg besoldeten, unsicheren Predigerstellen bei den neuen Gemeinden annahmen und dagegen auf glänzende Carrièren verzichteten, die ihnen bei ihren bedeutenden Geistesgaben gewiß waren, wenn sie sich der herrschenden Strömung gefügt hätten. Waren die Gemeinden mit Predigern versorgt, so sammelte man weiter für Kirchenbauten, oder, und, dies wurde bald die Hauptaufgabe der deutschen Frauen-Vereine, welche unter sich in enger Verbindung standen, sie nahmen sich der
Erziehung der Kinder
, der Pflege und Sorge für Arme und Kranke der Gemeinden an. Es war ein erstes allgemeines Hervortreten eines gemeinnützigen Sinnes in Deutschland, wie man ihn unter dem Druck der Verhältnisse und der unausstehlichen Polizeiüberwachung kaum jemals geübt hatte, welches sich hier kundgab.
    Eine weite tiefe Kluft trennte damals noch Deutschland von England in Allem was Gemeinsinn und Selbsthülfe betraf; man war bei uns, weil der Staat Alles bevormundete, auch gewöhnt, Alles vom Staate zu erwarten. Man legte träg die Hände in den Schooß und beklagte sich oder schalt, aber man handelte nicht. Ein erstes Zeichen erwachender Selbstthätigkeit boten nun diese Frauen-Vereine dar, und was haben wir nicht seitdem in dieser Beziehung Alles gelernt und überwunden, wenn auch die Philisterhaftigkeit und das Vorurtheil gegen ein uneigennütziges Wirken für das Allgemeine, namentlich wo es von Frauen ausgeht, stellenweise auch jetzt noch groß genug bei uns ist.
    Wohl am großartigsten entfaltete sich die Thätigkeit dieser Frauen-Vereine, deren Mitglieder durchaus nicht Alle dem Deutsch-Katholicismus angehörten, in
Breslau, Schweinfurt, Hanau
und zumeist in
Hamburg
, wo eine Reihe von bedeutenden und zu jedem Opfer bereiten Frauen, denen es auch an den nothwendigen Mitteln dazu nicht fehlte, mit vereinter Kraft nicht allein materiell, sondern auch ideell arbeiteten. Alle strebten nach einem lichtvollen, durch den Geist der Humanität gereinigten Christenthum, und diesem Programm entsprechend, hat, während alle übrigen Frauen-Vereine aus jener Zeit sich wieder auflösten, dieser Hamburger Kreis fortgewirkt, selbst dann noch, als überall später nach der Reaction von 1850, der Deutschkatholicismus verpönt und verboten wurde. War auch seine Thätigkeit zuweilen momentan unterbrochen, so trat er immer wieder neu zusammen, um später einzig und allein sich neben der Armenpflege, der Erziehung, vornehmlich der der Frauen, anzunehmen, und er hat auf diesen Gebieten nach einer mehr als fünfundzwanzigjährigen Thätigkeit, unter

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