Deutsche Geschichte Von 1815-1870
General
Dufour
führte mit rascher Entschlossenheit die Schweizer-Bundesarmee, die man schnell zusammen berufen, gegen die Schaaren der Sonderbündler; Freiburg wurde genommen, das Jesuitencollegium aufgehoben, und Alles, was sich in dem kostbaren Gebäude befand, zerstört. In kurzer Frist war der Sonderbund zersprengt und damit zugleich der Sieg des liberalen Regiments erfochten. Die Großmächte wagten es nicht den Sonderbündlern beizustehen, wenn sie es auch gerne gewollt hätten. Die Väter Jesu wurden in Folge dieses Sieges ganz aus der Schweiz verwiesen, und man schritt nun ernstlich an die Bildung einer Föderativ-Verfassung, auf deren Grundlage die Schweiz gebaut und ihre heutige geachtete und auf einer gemäßigten Demokratie beruhende Stellung gewonnen hat. –
Noch ängstlicher aber wurde den Anhängern des alten Systems zu Muthe bei den Neuerungen, welche der Graf Mastai-Ferretti, seit 1846 unter dem Namen Pius IX., Papst geworden, in's Werk zu setzen begann. Auch sein Ziel ging dahin, der appeninischen Halbinsel ihre nationale Unabhängigkeit zurückzugeben, freilich unter der Bedingung, daß sein eigenes geistliches Regiment den Mittelpunkt dieses erneuten Italien bilden werde.
Mazzini
und dessen Anhänger wirkten unablässig, wie uns schon bekannt, für ähnliche Ideen, nur mit dem Unterschiede, daß sie Italien nicht als einen vergrößerten Kirchenstaat, sondern als eine einheitliche Republik wiedergeboren sehen wollten, jedenfalls aber hatten sie Pio Nono gewaltig vorgearbeitet. Das Feuer, welches einst die Carbonari entzündet, war noch nicht wieder erloschen, und Pius, als er die Funken wieder zur Flamme anblies, dachte nicht, daß dieselbe dereinst sein weltlich Regiment mit verzehren würden. Die Zustände und der Geist des Mittelalters ließen sich eben nicht wieder herstellen, sie mußten sich verflüchtigen vor dem Wehen der scharfen Luft des 19. Jahrhunderts. – Wir haben die früheren Verhältnisse Italiens genügend kennen gelernt, um die sich jetzt rasch folgenden Umwälzungen ohne weiteren Commentar zu verstehen. Sicilien, das man gewaltsam zu Neapel gezwungen, riß sich los und kämpfte todesmuthig für seine Unabhängigkeit. Der Herzog von
Toskana
sah sich genöthigt, eine Verfassung zu bewilligen, und
Piemont
zwang seinen Fürsten diesem Beispiel zu folgen. Die alten Geister schliefen nicht, und schien es auch, als hätte
Carl Albert von Sardinien
es vergessen, daß er einst in den zwanziger Jahren, da er noch Prinz von Carignan war, zu den Liberalen gehörte, so kam es doch bald zu Tage, wie auch er seine Pläne nährte und dieselben nur für spätere Zeit hinausgeschoben hatte.
Die
Lombardei
konnte unter diesen Verhältnissen und bei der Aufregung, welche die italienische Halbinsel beherrschte, unmöglich ruhig bleiben; bald erfuhr es Oestreich mit tödtlichem Entsetzen, wie wenig ihm dort seine fortgesetzte Schreckensregierung genützt hatte, wie jetzt schon wieder ein ganzes Volk gegen seine Herrschaft in Waffen stand und wie es seine Abneigung auf jede nur erdenkliche Weise kund zu geben trachtete. Ueberall wo nur Oestreicher sich zeigten, wurden sie als
Tedeschi
verhöhnt und verfolgt, und trotz der äußersten Polizeieinschüchterungen war man wahrhaft erfinderisch, die verfehmten Landesfarben zur Schau zu stellen und an sich zu tragen. Besonders die Frauen zeichneten sich durch ihren Eifer darin aus. Verbot man ihnen die dreifarbigen Bänder, so zeigten sie ihr geliebtes Weiß, Grün und Roth in riesigen Bouquets, an ihren Fächern oder in der Zusammenstellung der Toilette. Nicht minder consequent enthielten sich die Männer des Tabakrauchens und des Lottospiels, weil die östreichische Regierung das Monopol auf Beide hatte; indem man keinen Gebrauch davon machte, entgingen ihr dadurch bedeutende Einnahmequellen. Von Italien aus verpflanzte sich die Bewegung gegen Oestreich, nach
Ungarn
; auch dort machte man das Nationalitätsprincip zur Fahne, um welche alle Unzufriedene sich enger und enger schaarten. Auf die alten und nie vergessenen Forderungen des ungarischen Volkes zurückgehend, verlangten die Stände auf's Neue ihre selbstständige Nationalregierung; außerdem Verfassungsreformen, Steuerverminderung und dergleichen. Ihr großer Sprecher und Agitator war
Ludwig Kossuth
, ein Advocat von hoher Beredtsamkeit, der ganz ebenso von einem selbstständigen, ungarischen Staate, ohne Oestreichs Oberhoheit träumte, wie die Italiener von einem nationalen Einheitsstaate.
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