Deutsche Geschichte Von 1815-1870
der Leitung der ausgezeichneten Frau
Emilie Wüstenfeld
, in der Armenpflege sowohl, als für die geistige, wie gewerbliche Ausbildung der Mädchen, die vornehmsten und außerordentlichsten Resultate erzielt, ein Vorbild für alle Frauenvereine die sich für ähnliche Zwecke seit 1865 neu gebildet haben.
Wenn wir jetzt nach diesem Umwege, den wir nicht wohl vermeiden konnten, um zu zeigen, wie die Gemüther schon vor 1848 in allen Ständen und bei beiden Geschlechtern erregt und auf Neues gefaßt waren, zu den maßgebenden Kreisen, die sich bemühten, immer mehr eine compacte politische Organisation zu Stande zu bringen, zurückkehren, so begegnen uns als besonders einflußreich die immer häufiger wiederkehrenden Zusammenkünfte und Verabredungen der Kammermitglieder aus den verschiedenen deutschen Staaten. Ihren Hauptsammelpunct fanden sie am Rheine, bei dem ehrwürdigen
Itzstein
, auf dessem Gute
Hallgarten
, während oft zur selben Zeit, nur wenige Stunden davon entfernt, sich auf dem Johannisberg die Feinde des Vaterlandes um ihren Meister Metternich schaarten. Aber wie schlau er auch seine Kreise zog, so sehen wir doch, wie auch
Preußen
zu Ende des Jahres 1847, es nicht mehr ganz zu ignoriren vermochte, daß zwinde Pflichten gegen Deutschland und gegen das eigene Volk vor ihm lagen. Ein Freund des Königs, der später so bekannt gewordene General von Radowitz, bekam den Auftrag, eine Denkschrift über eine vorzunehmende Bundesreform zu entwerfen. Mit der Schärfe, die jenen Mann charakterisirte, unterwarf er die Leistungen des Bundes einer Prüfung und gab auf die Frage, was der Bund seit den 32 Jahren seines Bestehens gethan, die vernichtende Antwort: »daß aus seiner Mitte auch nicht ein einziges Lebenszeichen erschienen wäre, aus welchem die Nation entnehmen könnte, daß ihre dringendsten Bedürfnisse, ihre wohlbegründetsten Ansprüche und Wünsche, im Rathe des deutschen Bundes irgend eine Beachtung fänden«. – Den Vorschlägen zu einer zweckentsprechenden Aenderung der Bundesverfassung, die man nöthigenfalls auch ohne Oestreichs Zustimmung, wenn dieselbe nicht zu erlangen sein würde, durchsetzen wollte, kam die Volksparthei entgegen, indem der Abgeordnete
Bassermann
in der badischen Kammer, am 12. Februar 1848, einen Antrag stellte, welcher die politische Schwäche Deutschland's eindringlich schilderte, und die Regierung geradezu aufforderte, sie möge dahin wirken, daß eine Vertretung der Ständekammern bei dem Bunde nun endlich erreicht werde. Dann sollten Beide vereint, eine
gemeinsame Gesetzgebung
, sowie auch
einheitliche
nationale Einrichtungen zu Stande bringen. Mit allen Stimmen gegen 5 wurde der Antrag unter dem allgemeinen Beifall Deutschland's angenommen, wie sehr auch der Minister
Dusch
sich während
der
Verhandlungen bemühte, die
Vortheile des Particularismus
hervorzuheben und Baden durch die Vorstellung zu schrecken, daß dasselbe bei solchen Einrichtungen von einem blühenden Staate, zu einer verkümmerten Grenzprovinz herabsinken werde.
Mit diesem Popanz hat man seitdem ja noch oft genug ängstliche Gemüther zu bannen versucht und auch wirklich gebannt, während die Gegenwart uns genügend darüber belehrt, wie die Glieder des Reiches sich im Gegentheil nur um so wohler und besser dabei befinden, wenn das Ganze gesund und lebenskräftig ist. – Man muß dabei nun wohl bemerken, wie sich schon seit dem Jahre 1847 in Baden eine Parthei gebildet hatte, welche die Opposition der Kammern heraus in das Volk zu tragen wußte; es hatte sich dergestalt eine Volksopposition gegenüber der liberalen Parthei, die sich damit begnügte, ihre Vertretung innerhalb des Ständesaales zu suchen, organisirt. Auf einer großartigen Volksversammlung zu
Offenburg
im Herbste 1847 hatte sich zuerst dieses Verhältniß herausgestellt; dieselbe wurde geleitet von dem Liebling des deutschen und namentlich des badischen Volkes, von
Friedrich Hecker
und von dem bekannten
Gustav Struve
. Der Letztere war ein Mann, den man bald in Folge seiner Excentricitäten als den blutdürstigsten Revolutionär betrachten mußte, und dabei doch so sanftmüthig, daß er keinen Bissen Fleisch essen mochte, weil er dies für roh und thierisch hielt. Das Programm, welches diese beiden Männer aufstellten, unterschied sich wesentlich kaum von demjenigen der liberalen Abgeordneten, welches wir sogleich werden kennen lernen, nur mischte leider
Struve
, der Socialist geworden, die volle Unklarheit der damaligen socialen und
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