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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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und gemeinsam bestattet werden. Die Leichen der Soldaten waren heimlich und bei Nachtzeit die Spree hinab auf Kähnen fortgeführt worden; es sollte nicht bekannt werden, wie groß die Zahl der Todten war. Für die Andern war im Friedrichshain eine ungeheure Grabstätte vorbereitet worden; zwei und vierzig Gefallene hatte man bereits einzeln beerdigt, die Uebrigen befanden sich Alle in der
Hedwigskirche
, wo zuvor eine großartige Todtenfeier stattfand. Um einen riesigen Katafalk standen 183 Särge gereiht, unter den Leichen befanden sich fünf Frauen und zwei Knaben von zwölf Jahren. Die ganze Stadt war mit Reichsfahnen geschmückt welche Trauerflöre umhüllten; sie schmückten das Schloß, wie auch das niedrigste Häuschen, und die Monumente der todten Patrioten,
Blücher's, Scharnhorst's, Bülow's
u.s.w. Wundervoll waren die Särge geziert, selbst der Aermste hatte sein Blümchen oder seine Schleife dargebracht, während die Angehörigen ja nur dadurch noch ihren Schmerz bekunden konnten. Besonders pracht- und liebevoll sah man die Sarkophage des Referendar Lansky, des Studenten von Holtzendorf, und des Studenten Weiß decorirt. Als jetzt die Feier begann, erklang zuerst wieder der Choral: Jesus meine Zuversicht, untermischt von Thränen und Schluchzen, die aus jedem Auge, aus jeder Brust sich stürmisch hervordrängten. Dann sprachen nacheinander der katholische, der protestantische und der jüdische Geistliche und segneten die Leichen ein. Der Zug, der sich dann bildete, war eine Meile lang und er brauchte vier volle Stunden, um bis zum Friedrichshaine zu gelangen; über 1/2 Million Menschen waren bei dieser Feier versammelt.
    Borsig
, der große Maschinenfabrikant, führte selbst seine Arbeiter an, die Schriftsteller kamen als Corporation, unter einer gemeinsamen Fahne und bei der Universität ging der greise Alexander von Humboldt. Nur drei Uniformen befanden sich in dem Zuge und kein Ordensband wurde sichtbar, als das
des eisernen Kreuzes
.
    Auch die in Berlin befindlichen Polen und Italiener hatten sich mit ihren Nationalfahnen angeschlossen, und hinter den einzelnen Särgen gingen die Angehörigen der Gebliebenen, die Wittwen, Waisen und näheren Anverwandten. Sie Alle trugen Blumen und Sträuße, die man ihnen aus den Hofgärten zugeschickt hatte, und eine Menge Deputationen, die aus preußischen Städten zu der Leichenfeier gekommen waren, hatten sich mit ihren Emblemen und Fahnen dem Zuge angeschlossen. Unter dem Geläute aller Glocken bewegte er sich langsam durch die Straßen und wo er hinkam, blieb kein Auge trocken; auf dem Balkon des Schlosses stand wiederum der König und ließ entblößten Hauptes die Opfer, welche er seinem Glauben an das Gottgnadenthum gebracht, an sich vorübertragen. Auf dem Friedhofe war wieder ein Altar errichtet und aus der Mitte des ungeheuren Grabes, welches die Mitstreiter der Gefallenen selbst gehöhlt hatten, ragte ein Mast mit einem verschleierten
deutschen Adler
an der Spitze. Am Altare hielt Prediger Sydow die Gedächtnißrede und hob hervor, daß sie, die hier gefallen, nun mit ihrem Blute besiegelt hätten, was ihre Väter um 1813 begonnen. Aus dem Grabe herauf ertöne der Ruf: Friede, Eintracht, Liebe! Nachdem noch ein Volksmann gesprochen, segnete der Bischof Neander die Särge, die jetzt eingesenkt waren, noch einmal ein, und die Schützengilde gab ihnen drei Salven mit in's Grab. –
    Für 150 Wittwen übernahm der Staat die Sorge, alle Bewohner der Hauptstadt trugen noch 14 Tage lang Trauerkleider, und die Stadtverordneten, wie der Magistrat erklärten in verschiedenen Ansprachen, daß sich die gefallenen Kämpfer um das Vaterland wohl verdient gemacht. Während aber die Glocken Berlins die ganze Feier mit ihren Klängen begleiteten, tönten sie zur selben Stunde von allen Thürmen der preußischen Städte, und überall waren Trauerfeierlichkeiten zu Ehren der Berliner Gefallenen veranstaltet, am großartigsten beging man dieselben in
Cöln
im altehrwürdigen Dome.
    So bildete der Berliner Straßenkampf den furchtbar ernsten Schluß einer Revolution, die so urgewaltig und unwiderstehlich im Süden Deutschlands begonnen, und erst im Norden, in dem Staate auf den es zumeist ankam, durch blutige Opfer erkauft werden mußte. Nun erst hielt sich Deutschland für völlig befreit von dem finstern System, das seit dreißig Jahren auf ihm gelastet, und diese Empfindung rief eine Stimmung hervor, wie sie kaum wieder einmal so allgemein, so rein und ideal, so

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