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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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21. März Morgens 9 Uhr eine nicht unterzeichnete Kundgebung
an die deutsche Nation
. Sie lautete: »Eine neue glorreiche Geschichte hebt mit dem heutigen Tage für Euch an.
Ihr seid fortan wieder eine einzige große Nation
, stark, frei und mächtig im Herzen von Europa! Preußens Friedrich Wilhelm IV. hat sich im Vertrauen auf Euren heldenmüthigen Beistand und Eure geistige Wiedergeburt zur Rettung Deutschlands an die Spitze des Gesammtvaterlandes gestellt. Ihr werdet ihn mit den alten ehrwürdigen Farben deutscher Nation noch heute zu Pferde in Eurer Mitte erblicken. Heil und Segen dem constitutionellen Fürsten, dem Führer des gesammten deutschen Volkes, dem neuen Könige der freien wiedergebornen deutschen Nation!«
    Während man mit Staunen dies las, und die Studirenden durch den Minister, Grafen Schwerin, und den Rector der Universität die Mittheilung erhielten, der König werde ein deutsches Parlament berufen und sich alsbald mit den deutschen Farben geschmückt in den Straßen zeigen, er erwarte, daß sich die akademische Jugend um ihn schaaren werde, erschien eine königliche Kundgebung, von Friedrich Wilhelm und seinen Ministern unterzeichnet, die sich ganz im Sinne der ersten Mittheilung aussprach. Es hieß darin, daß Deutschland, welches überall in Gährung begriffen sei, den ihm drohenden Gefahren nur durch die innigste Vereinigung seiner Fürsten entgehen könne, unter
einer
Leitung, dann fuhr das Schriftstück weiter fort: »Ich übernehme heute diese Leitung für die Tage der Gefahr. Mein Volk wird mich nicht verlassen, und Deutschland wird sich mir mit Vertrauen anschließen. Ich habe heute die alten deutschen Farben angenommen, und mich und mein Volk unter das ehrwürdige Banner des deutschen Reiches gestellt.
Preußen geht fortan in Deutschland auf
!« Im weiteren Verlauf enthielt die Proclamation die Zusage aller Wünsche, die man schon lange für ein einheitliches Zusammengehen ausgesprochen. Der König bereitete sich nun auch wirklich zu dem versprochenen Umritte durch die Stadt vor; er erschien zuerst auf einem Balkon in voller Uniform, ein schwarz-rothgoldnes Band um den Arm geschlungen, und verlangte eine deutsche Fahne, die schon bereit stand, und die man ihm hinauf reichte; damit kam er herunter in den Schloßhof, bestieg sein Pferd und erbat sich die Begleitung einiger Männer aus der Stadt, denn er wolle, wie er sagte: »mit seinem Volke reden«.
    So bildete sich rasch ein kleiner Zug, hinter ihm her ritten die Prinzen – Alles mit den deutschen Farben geschmückt. Noch im inneren Schloßhof sagte er zu den Umstehenden, daß er sich zur Rettung der deutschen Freiheit berufen fühle: »Ich schwöre zu Gott, daß ich
keine Fürsten vom Throne stoßen will
, aber Deutschlands Einheit und Freiheit schützen. Sie muß geschirmt werden durch deutsche Treue. Soll Deutschland nicht in diesem Augenblick verloren gehen, so muß ich mich als sein mächtigster Fürst an die Spitze der ganzen Bewegung setzen. Ich hoffe, alle Deutschen werden sich um mich schaaren. Ich schwöre es, ich will nichts, als das vereinigte Deutschland, auf den Grundlagen einer aufrichtigen constitutionellen deutschen Verfassung!« –
    So sprach der Mann, der gerade jetzt, unter dem Eindruck der Berliner Ereignisse, der unpopulärste Fürst Deutschlands geworden war, an dessen Versicherungen Niemand glaubte und seine Preußen am wenigsten. Zwei Wochen früher, so gesprochen, hätte ihn, trotz der Unklarheit seiner Anschauungen, der unermeßliche Jubel der deutschen Nation zum deutschen Kaiser ausgerufen! Nun hielt er seinen Königsritt durch die Berliner Straßen und stand öfter stille, um längere Anreden an die Umstehenden zu halten; am längsten hielt er an der Universität, wo ihm die Studenten das Reichsbanner vortrugen; ihnen sagte er unter Anderem: »Ich trage Farben, die nicht mein sind, aber ich will damit nichts usurpiren, merken Sie sich das, meine Herrn, schreiben Sie es auf, daß ich nichts will, als deutsche Freiheit und Einheit!« Unter dem Jubel der Bevölkerung endete dann dieses Schauspiel, denn mehr war es nicht, und Berlin bereitete sich jetzt vor, einer ernsten Pflicht Genüge zu leisten, und seine Todten zu bestatten.
    Die meisten der Verwundeten hatte die Königin in das Schloß bringen lassen, wo sie in prächtigen Zimmern gebettet lagen und unter der Oberleitung der Königin auf's Trefflichste verpflegt wurden. Am Abend des 22. sollten die Leichen der auf Seite des Volkes Gefallenen feierlich

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