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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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die Hüte mit tellergroßen Kokarden von dem verpönten Schwarz-Roth-Gold. Sie machten Vorschläge und Concessionen, aber Niemand kümmerte sich noch viel um das alte Möbel. Die Regierungen waren, als der erste Schreck vorüber war, Jeder in seinem Lande vorerst eifrigst bemüht, die Bewegung in die Hand zu bekommen, und die süddeutschen Staaten vereinigten sich rasch zu einem gemeinsamen Handeln und Vorgehen. »Ein deutsches Parlament«, dies wurde bald das allgemeine Losungswort, durch welches beide Theile, die Nation, wie die Fürsten, die Lösung der Zukunft, die Neugestaltung Deutschlands zu erreichen hofften, wobei jedoch von vornherein die fürstliche Parthei sehr deutlich zu erkennen gab, wie sie zu besonderen thatsächlichen Aufopferungen ihrer Souveränitätsrechte, zu einer gemeinsamen Unterordnung unter ein bestimmtes Haupt, sehr wenig Neigung habe. Auch hier bildete man sich von beiden Seiten ein, Alles könne in's rechte Geleise kommen, ohne daß irgend Jemand im Mindesten geschädigt werde, oder ein Opfer zu bringen brauche, und wie schön und zahlreich die Reden auch waren, die damals von allen Dächern und aus allen Fenstern gehalten wurden, so lauteten sie mitunter gar zu phrasenhaft, bewegten sie sich viel zu sehr in allgemeinen Ausdrücken, und man bedurfte doch der
Thaten
statt der
Worte
. Die Einzigen, die schnell darüber klar wurden, was zu thun sei, waren die Anhänger der
republikanischen Parthei
, nur verfiel diese wieder ihrerseits in den heillosen Fehler, daß sie sich einbildete, das Volk stehe hinter ihr, und theile ihre Einsicht, die allerdings tieferblickend genannt werden muß, als die der monarchischen Gegenseite. Der eigentliche Kern des Volkes war aber, wie schon öfter erwähnt, nur instinctiv erregt, ein bewußtes Handeln und Wollen, wie dies 1870 der Fall war, lag ihm noch durchaus ferne.
    Schon am 5. März bei jener berühmten Versammlung von 51 Volksmännern in Heidelberg, trat der Bruch zwischen beiden Partheien zu Tage. Hecker und Struve beantragten dort die Bildung der Republik – Gagern und sein Anhang ein erbliches Kaiserthum als künftige Staatsform. Die Lage Deutschlands bot eben eine doppelte Schwierigkeit dar; wenn in einem andern Staate Europens eine Revolution ausbrach, so hieß es: Freiheit, nationale Regierung, Wechsel der Dynastie und dergleichen. Bei uns handelte es sich um Freiheit und Einheit; um zwei Dinge also, von denen gerade Eines genug war, die ganze Thatkraft eines Volkes in Anspruch zu nehmen. Was nun zuerst? Kam man durch die Einheit zur Freiheit? oder durch die Freiheit zur Einheit? Erst das Jahr 1866 hat diesen gordischen Knoten durchgehauen, die Männer von 1848 haben sich vergebens bemüht, ihn zu lösen. – Am 19. März tagte wieder zu Offenburg eine große Volksversammlung von etwa 15,000 Menschen, wo über die beste künftige Staatsform Deutschlands berathen wurde, und schon bereiteten sich in dortiger Gegend Freischaarenzüge vor, um das erwartete Resultat der Berathung nöthigenfalls gleich mit Gewalt in's Leben zu rufen. Doch beschloß man noch vorerst, die Bildung eines deutschen Parlamentes abzuwarten. Der
Heidelberger Ausschuß
, welcher sich dort am 5. März constituirt hatte, faßte nämlich den Beschluß, alle früheren und jetzigen Ständemitglieder, oder Theilnehmer an gesetzgebenden Versammlungen einzuladen, sich am 30. März zu einer allgemeinen Vorberathung nach Frankfurt zu begeben. Von allen Seiten fand diese Aufforderung Zustimmung und bereitete man sich vor, ihr Folge zu leisten. So trat denn, während ganz Deutschland mit höchster Spannung diesen Augenblick erwartete, und die Stadt Frankfurt sich zum großartigsten Empfange dieser Männer rüstete, das
Vorparlament
dort zusammen. Kaum war noch solch ein Tag in der alten Krönungsstadt seit den Tagen ihres größten Glanzes erlebt worden; sie erhob sich in jenem Augenblick zur deutschen Hauptstadt, zu einem Emporium, dem Alles zuströmte, was irgendwie an den großen Zeitfragen sich betheiligen, Vergessenheit langer persönlicher Leiden und Schmerzen suchen, oder die Ideale seiner Jugend verkörpert sehen wollte. –
    Am genannten Tage traten Morgens 9 Uhr diejenigen, die berechtigt waren an der Versammlung Theil zu nehmen in dem alten Kaisersaale auf dem Römer zusammen, um einen Präsidenten aus ihrer Mitte zu wählen. Die Wahl fiel auf denn freisinnigen Vertreter deutschen Rechtes und deutscher Wissenschaft, den Geheimerath
Mittermaier
von Heidelberg; zu

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