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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Illumination.
    Viele, sehr Viele hatte der Anblick des kleinen Männchens bitter enttäuscht, und man fragte sich sorgenvoll: »Soll diese schwache Kraft, in solch schwerer Zeit, mächtig genug sein, dieselbe neu einzurichten? Am nächsten Morgen wurde der Erzherzog
von 50 Parlamentsmitgliedern unter Glockengeläute und Freudenschießen zu Fuße nach der Paulskirche geleitet
; den ganzen Weg entlang bildete die Bürgerwehr Spalier und ihm vorauf trug man zwei Reichsfahnen. In der Paulskirche angekommen, empfing
Gagern
den Reichsverweser mit einer feierlichen Ansprache, worauf einer der Secretäre das Gesetz über die provisorische Centralgewalt verlas. Dann legte er ihm die Frage vor, ob er dieses Gesetz »wolle halten und halten lassen zum Ruhme und der Wohlfahrt des Vaterlandes«. Der Erzherzog, welcher die Gabe der freien Rede in keiner Weise besaß, las, nachdem er die Brille aufgesetzt, seine Antwort von einem bereit gehaltenen Blatte Papier ab, versprach Alles, und dann, unter den Bravo's und Lebehoch's aller Anwesenden reichte er Gagern die Hand und sagte: »auf der Welt darf man nichts halb thun, hat man einen Entschluß gefaßt, so muß man sich dem ganz widmen, wozu man berufen ist, nämlich der deutschen Nation!« Dann verließ er rasch die Kirche. – Man wußte dort nicht, daß er schon vorher der letzten Sitzung der Bundesversammlung, wo der schlaue Präsident von Schmerling die Karten gemischt, beigewohnt hatte, in Folge einer an ihn ergangenen Einladung. Dort erhielt er zuerst die
legitime Weihe
, indem der Bundestag, durch Schmerling's Mund, seine verfassungsmäßigen
Pflichten
und
Befugnisse
der provisorischen Centralgewalt übertrug, Namens der deutschen Regierungen. Von der Nationalversammlung war bei der Uebertragung keine Rede, und der den Schlangenwindungen der östreichischen Politik nicht fremde Erzherzog, nahm dieselbe auch ganz so an, wie sie gegeben war. An der Stelle des Bundes, der die Fürsten vertrat, stand jetzt ein einzelner Mann – das war der ganze Unterschied!
    Zunächst ernannte jetzt der neue Reichsverweser sein Ministerium und erließ er eine Proclamation an das deutsche Volk, voll schöner Versprechungen und Versicherungen, die man mit gläubigem Vertrauen entgegennahm. In dem Reichsministerium, welchem der Fürst Leiningen eine kurze Zeit präsidirte, waren die Rechte und das Centrum vertreten, und bis auf eine einzige Ausnahme ging es aus den Reihen des Parlaments hervor. Kenntnißreiche und wohlmeinende Männer waren unter diesen Ministern; der berühmte Rechtsgelehrte
Robert Mohl
übernahm das Ministerium der Justiz, und er machte sich augenblicklich daran, Gesetze, die für ganz Deutschland gültig sein sollten, vorzubereiten.
    Nicht minder thätig zeigte sich der Bremer Senator
Duckwitz
, welcher das Handelsministerium leitete, und gleichfalls wichtige Vorbereitungen für Zoll- und Handelssachen traf, namentlich aber für eine
Kriegsflotte
, deren Mangel man gerade jetzt, während des Krieges gegen Dänemark, am Schmerzlichsten empfand, und wofür in ganz Deutschland auf's Eifrigste gesammelt und gearbeitet wurde.
    Das schwierige Departement der Finanzen bekam
Beckerath
, ein Fabrikant aus den Rheinlanden, einer der einsichtsvollsten und versöhnlichsten Politiker des Centrums.
    Weniger gut war es um das Ministerium des
Auswärtigen
bestellt, welches der Advokat
Heckscher
aus Hamburg übertragen bekam, der aber, wie er sich auch drehte und wendete, um es den Diplomaten gleich zu thun, dies doch nicht fertig brachte, und darüber seine ganze Haltung und sein ganzes früheres Ansehen einbüßte. Zum Kriegsminister erhob man den seitherigen Militärbevollmächtigten beim Bunde, den preußischen General von Peucker, und das Ministerium des
Innern
, sowie auch bald nachher das
Präsidium
des Ganzen erhielt der schlaue Ritter
Anton von Schmerling
, der die Majorität der Versammlung schon lange an seinen Fäden lenkte und führte. Eine Anzahl von Staatssecretären war dem Ministerium noch beigegeben, unter diesen die bekannten Badenser:
Mathy
und
Bassermann
.
    Das Reichsministerium zeigte nun den Regierungen aller deutschen Staaten an, daß es die Ausübung der Rechte der Centralgewalt begonnen habe und lud sie ein, durch Bevollmächtigte mit ihm in Verbindung zu treten. Der Minister des Auswärtigen begann den diplomatischen Verkehr mit den nichtdeutschen Mächten, und den Landeskriegsministerien wurde eröffnet, daß der Reichsverweser die Oberleitung der Kriegsmacht

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