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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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geworden, in schwierigster Zeit das deutsche Reich zu verwalten. – Man hat damals vielfach und wohl auch mit Recht behauptet, Gagern hätte die Wahl auf sich selbst lenken können. Ohne Zweifel war er in diesen Tagen der populärste Mann in Deutschland, und die Nation würde seine Erhöhung mit dem ungeheuersten Beifall aufgenommen haben, auch wäre damit erfüllt gewesen, was die Linke begehrte – die Präsidentschaft eines Privatmannes. Jedenfalls würde dann die Bewegung eine vollständig andere Wendung genommen haben, man würde auf dem Wege der Revolution weiter gegangen sein und Gagern wäre dann auch selbst ein Anderer, er wäre der thatkräftige, entschlossene Volksführer gewesen, den Viele in ihm sahen. Daß sie sich darin irrten, war ihre, nicht seine Schuld. Aber auch die Wahl des Erzherzogs barg große Gefahren in sich, ihr größter Fehler war jedenfalls der, daß man ohne eine besondere Hinneigung zu Oestreich dadurch in Wien und bei der östreichischen Parthei den Glauben erweckte, daß es so sei, auch bewies diese ganze Transaction, wie man sich bezüglich der späteren Stellung Oestreichs zu Deutschland noch vollständig im Unklaren befand.
    Was die deutschen Regierungen betrifft, so waren sie jetzt noch nicht genügend erstarkt, um sich den Beschlüssen des Parlaments offen widersetzen zu können; sie machten also gute Miene zu dem was geschah, ließen sich ihre Uebergehung gefallen und gaben nachträglich ihre Zustimmung zu der Wahl durch ein Schreiben, welches der fortvegetirende Bundestag am 29. Juni in ihrem Namen an den Erzherzog richtete, welches ihn jedoch merkwürdigerweise als den »
Erwählten der Regierungen
« bezeichnete. Auch Oestreich's Regierung und Kaiser Ferdinand erlaubten dem Herzog, die auf ihn gefallene Wahl anzunehmen. – – Jedenfalls war der ganze Schritt, den das Parlament gethan, ein so tief eingreifender, er erschien als so beruhigend für die Zukunft, daß man im Allgemeinen mit aufrichtigem Jubel die Wahl des Erzherzogs begrüßte, und glaubte, es sei in Deutschland nun Alles auf dem besten Wege zur Macht und zur Einheit. Daß dem Reichsverweser jede äußere Gewalt fehlte, um im Nothfalle einen widerspenstigen Fürsten zur Unterwerfung unter seinen Willen zu beugen, daran dachte man nicht, weil man die Unterwerfung für selbstverständlich hielt. Es wurde nun aus der Mitte des Parlaments eine Deputation gewählt, welche nach Wien reiste, um den Prinzen feierlich nach Frankfurt zu geleiten, und wieder, wie zur Zeit des Vorparlaments, strömte von weit und breit die Menge herzu, um den großen Moment mit anzusehen, da das alte deutsche Reich sich neu erbauen und wiederkehren sollte in seiner Herrlichkeit.
    Auf den 11.
Juli
, einen glühend heißen Tag, war Morgens 9 Uhr der Einzug in die alte Reichsstadt bestimmt; schon die ganze Nacht vorher wogte es in den Straßen, und am nächsten Morgen waren diejenigen, durch welche der Zug kommen sollte, so dichtgedrängt voll Menschen, daß kaum ein Apfel zur Erde fallen konnte. Alle Fenster, alle Dächer, jeder Mauervorsprung, jeder Baum war mit Menschen überladen, und geduldig harrte diese Masse aus, geduldig wie das deutsche Volk so lange auf seinen Messias gewartet, – den ganzen, heißen Sommertag lang. Man hungerte und durstete, bis endlich um 6 Uhr Abends die kleine heisere Glocke auf dem Hanauer Bahnhofe das Nahen des Ersehnten verkündete; nun donnerten die Kanonen, nun brauste der Glockenklang durch die Luft, aber sie wurden noch übertönt von dem Rufen und Toben der Menge. Langsam fuhr der Wagen, in dem der Erzherzog saß, dahin; kaum konnten die sechs Schimmel, die ihn zogen, sich durch die Massen Bahn brechen, und nun erblickte man endlich ein kleines, verschrumpftes Männchen mit kahlem Kopfe und einem röthlichen, geistlosen aber gutmüthigen Gesicht über der hechtgrauen Tyroler Jägeruniform, die der Erzherzog gewöhnlich trug. Er grüßte und nickte nach allen Seiten, während Kränze ihm entgegenflogen, Tücher und Fahnen zu Tausenden in die Luft wirbelten. Auf der Zeil, am römischen Kaiser, wo er wohnen sollte, empfing ihn die Deputation des Parlaments, aus den verschiedenen Partheien der Paulskirche zusammengesetzt, mit sehr getheilten Empfindungen. Auf Gagern's Ansprache antwortete er mit wenigen herzlichen Worten, deren Schluß lautete: »Da habt Ihr mich, ich gehöre zu Euch!« Abends gab es einen glänzenden Fackelzug, eine Serenade und ganz Frankfurt schwamm im Feuer einer glänzenden

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