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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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scharfen Weise am besten mit den Worten charakterisirte: »Es bleibt nichts Anderes übrig, als statt der
Fürstenrepublik
, welche durch den Bundestag vertreten wird, die Volksrepublik, welche wir vorstellen, zu konstituiren, und wozu wir
einzig
und
allein
den Auftrag haben!« Nicht weniger als 36 Anträge waren eingebracht worden, bis man sich endlich dahin einigte, die Execution in die Hand eines Einzelnen, eines
Reichsverwesers
, der
unverantwortlich
sein sollte, zu legen. Da man von der preußischen Dynastie nicht mehr sprechen durfte, und die Rechte nur einen Fürsten, von den Kabinetten ernannt, an der Spitze sehen wollte, schlug
Vinke
, ohne ihn geradezu zu nennen, als die richtige Persönlichkeit jenen Erzherzog Johann von Oestreich vor, welcher einst den bekannten Trinkspruch: Kein Oestreich und kein Preußen u.s.w. sollte ausgebracht haben.
    Die preußische Parthei hoffte durch dieses Provisorium Zeit zu gewinnen für ihren eigentlichen Kandidaten, aber auf's Neue loderte der Kampf heiß empor, als jetzt durchaus die Wahl des Reichsverwesers von den Fürsten ausgehen sollte. Da zerschnitt Heinrich von Gagern am sechsten Tage den gordischen Knoten, indem er das Wort ergriff und mit seiner gewaltigen Stimme im Interesse der Volkssouveränität, die er ja selbst an dieser Stelle kurz zuvor proclamirt hatte, die Ueberzeugung aussprach, daß eine vorherige Uebereinkunft mit den Regierungen, wie Viele in diesem Hause sie wollten, viel zu weitläufig und darum unzweckmäßig sein würde. »Ich«, so rief er aus, »ich thue einen
kühnen Griff
und sage Ihnen,
wir
müssen die provisorische Centralgewalt
selbst
schaffen!« Im weiteren Verlaufe seiner Rede erklärte er sich gegen ein Directorium, welcher Art es auch sei, und sprach sich für einen unverantwortlichen Reichsverweser mit verantwortlichen Ministern aus, aber es müsse dieses Oberhaupt von fürstlichem Geschlechte sein, und ein hochstehender Mann sei dafür gefunden. Nachdem er dann dessen Persönlichkeit genügend angedeutet, empfahl er ihn als den Würdigsten, »nicht –
weil
er ein Prinz, sondern
obgleich
er ein Prinz ist!« Unter dem rauschendsten Beifall der Abgeordneten und der Gallerien verließ Gagern's imposante Gestalt die Tribüne – es war sein glänzendster Tag in der Nationalversammlung, die letzte glänzende Rede, die er dort hielt. Der Antrag, den er gestellt, ohne sich zuvor mit seinen Freunden darüber zu berathen, was diese sehr übel nahmen, wurde mit großer Majorität angenommen; der Schwerpunkt der ganzen schwierigen Frage war damit in das Parlament zurückverlegt und das Nichtfortbestehen des Bundestages ausgesprochen. Vom 26. bis zum 28. Juni wurde noch über die einzelnen Punkte des Gesetzes, das die Organisation der provisorischen Centralgewalt betraf, berathen und abgestimmt. Es sollte darnach einem von der Versammlung zu wählenden
Reichsverweser
die höchste
vollziehende
Gewalt in allen allgemeinen deutschen Angelegenheiten übertragen werden. Er selbst sollte unverantwortlich, dagegen von einem verantwortlichen Reichsministerium umgeben sein. Um sein Ansehen ausüben zu können, wurde ihm durch die Versammlung die Oberleitung der gesammten bewaffneten Macht zugesprochen, deren obere Befehlshaber er ernennen sollte, wie ihm auch das Recht gegeben wurde, Deutschlands Vertretung nach außen hin, durch die Ernennung von Gesandten und Consuln zu übernehmen. Ueber Krieg und Frieden und über Verträge mit auswärtigen Mächten hatte er in Gemeinschaft mit dem Parlament zu entscheiden. Dann schritt man zu dem Wahlact selbst, und so wurde am 29. Juni der Erzherzog Johann von Oestreich zum deutschen Reichsverweser erkoren, mit 436 gegen 110 Stimmen. Ein Theil der Linken hatte für
Gagern
gestimmt, ein anderer Theil sich der Abstimmung ganz enthalten, weil ihnen die Unverantwortlichkeit mißfiel. Die Wahl des Herzogs wurde von dem Frankfurter Publikum lau aufgenommen, wie er denn überhaupt nur wenige Sympathieen für sich hatte. Man wußte nur von ihm, daß er bei den Tyrolern einer großen Popularität genoß, deren Freiheitskämpfe in den Jahren 1809 und 1810 sich um seine Person gruppirt hatten. Statthalter von Tyrol, heirathete er später eine Landestochter, das Kind des Postmeisters von Meran, die ihn einst, da es an einem Postillon fehlte, über Berg und Thal kutschirt, und die er zur Gräfin von Meran erhoben hatte. Es war ein schlichter, einfacher, aber jetzt schon betagter Mann von 66 Jahren, dem nun die Ehre zu Theil

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