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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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übernommen habe, und daß sämmtliche deutsche Truppen am 6. August dem obersten Kriegsherrn ihre Huldigung zu leisten hätten; leider wurde auch Preußen zur Abschließung eines Waffenstillstandes mit Dänemark ermächtigt.
    So war denn nun etwas Sicheres gegründet und erreicht, wenn es auch unter schweren Mühen zu Stande gekommen; das Parlament befand sich jetzt scheinbar auf seinem Höhepunkte, und mit aufrichtigem Vertrauen blickte die Nation darnach hin, während es doch schon den Keim des Verderbens in sich trug, denn der zweite Theil der Frage, ob die Regierungen nun auch wirklich das
thun wollten
, was man von Frankfurt aus decretirte, war noch vollständig ungelöst. Fort und fort widerhallten die Kuppeln der Paulskirche von geistvollen, scharfen, glänzenden Reden, und dennoch nahm mehr und mehr das Parlament den Charakter eines Thurmbaues von Babel an, wo Keiner mehr den Andern recht verstand oder verstehen wollte. Die Linke und das linke Centrum erschöpften sich im Hinweis auf das, was nothwendigerweise geschehen
müsse
, um die Macht der Centralgewalt zu festigen. Die äußerste Rechte verwarf Alles, was Jene beantragten, ihre Leitsterne lagen ja weit außerhalb dieser Versammlung.
    Und dennoch – welche Fülle von interessanten, hochbegabten Charakterköpfen, von ausgezeichneten Rednern wies das Ganze auf! Dort, unter den preußischen Junkern, deren redegewandter Führer,
Fürst Lichnowsky
, der mit souveräner Verachtung mit der Uhrkette klimpernd, oder das Bärtchen drehend auf die Rednerbühne trat und den ganzen Uebermuth seiner Kaste, unter dem Zischen und Lärmen der Gallerien, höhnend in die Versammlung warf; ernster und gehaltener, aber
Preuße und Militär
vom Scheitel bis zur Sohle, neben ihm General
Radowitz
, mit dem unbeweglichen Gesichte, wie aus gelbem Marmor gemeißelt. Wenn er sprach, verstummte Alles, denn er sprach Gedanken und nicht bloß Worte; dann der glatte, bewegliche
Schmerling
, der böse Dämon
Heinrich von Gagern's
, dessen diplomatische Winkelzüge ein leichter Humor zu verdecken trachtete. In der Mitte die alten
Veteranen der Stein'schen Zeit
, der sehr, sehr alte
Arndt
, der Turnvater
Jahn
mit seinem großen weißen Kragen über dem altdeutschen Rocke, und dem langen grauen Barte, dann die Göttinger
Sieben
, die Professoren Mittermaier, Welcker, Beseler, Waitz, und im linken Centrum der Mann, den jedes Auge zuerst suchte,
Ludwig Uhland
, der leider selten sprach, aber dann im liberalsten Sinne; um ihn geschaart die Würtemberger
Römer, Schott, Pfizer
und dann die Linke, welche eigentlich die meisten Talente in sich schloß, mit dem ehrwürdigen
Itzstein
an der Spitze, neben ihm
Robert Blum, Raveaux, Heinrich Simon, Löwe aus Calbe, Venedey, Fröbel
und wie sie Alle heißen, die da für die dauernden Rechte der Nation gestritten. Nach der äußersten Linken hin saßen neben
Arnold Ruge, v. Trützschler, Kolb
, und die jüngsten Männer des Parlaments, der schöne
Moritz Hartmann
, der Dichter von: Kelch und Schwert, welcher nach Art der altdeutschen Reimchroniken das Parlament nun, in seiner Reimchronik des Pfaffen
Mauritius
, zu besingen begann; dann
Carl Vogt
mit seinem derben Humor,
Rößler von Oels
, ganz in Nanking gekleidet, den man darum den »Reichskanarienvogel« nannte; und der bedeutendste Redner unter ihnen,
Ludwig Simon von Trier
, dem, wenn er sprach, eine so lautlose Stille folgte, daß man eine Nadel konnte fallen hören, während er selbst vor Erregung, wenn er unter dem tosendsten Beifall die Tribüne verließ, bleich geworden war wie die Säulen hinter ihm.
    Wie viele schöne und gute Worte sind in jenen Tagen geredet worden, wie viel idealer Schwung hat sich mit dem reinsten Feuer der Begeisterung zum Himmel erhoben – vergebens, für den Augenblick – aber gewiß nicht für die folgende Zeit. Man hat es oft bitter getadelt, daß in der Paulskirche zu viel geredet wurde, und doch trugen diese Worte sich fort in Millionen von Herzen, als Saamenkörner einer besseren Zukunft, und sie bildeten nicht allein die Vertreter des Volkes, sie bildeten zugleich das ganze Volk zu einem politischen und öffentlichen Leben heran. –
    Kehren wir von dieser Ueberschau zu der Centralgewalt zurück, so that sie äußerlich jetzt das Richtige; sie übernahm allsobald den diplomatischen Verkehr, schickte Gesandte ab, empfing solche, und immer glänzender entwickelte sich die Außenseite des geselligen Verkehrs in dem gastlichen Frankfurt.
    Was jedoch die Lage

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