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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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muth- und rathlose Pillersdorf den Befehl zum Zurückziehen des Militärs aus der Stadt glücklich durchsetzte, und somit blieb der Demokratie das Feld ohne Kampf und Blutvergießen überlassen. Ein Bürgerausschuß, der in den ersten Tagen der Unruhe als Sicherheitsausschuß zur Wahrung der Ordnung zusammen getreten war, hatte sich, seine Unfähigkeit erkennend, am 26. Mai wieder aufgelöst; statt seiner bildete sich noch am Abend desselben Tages eine neue, revolutionäre Behörde, der sich sogar das Ministerium willig unterordnete. Sie nannte sich: Ausschuß der Bürger, Studenten und Garden, zur Wahrung der Sicherheit, der Ordnung und der Volksrechte, und bestand aus einer Deputation des Gemeinderaths, einer Deputation der Studenten und einer solchen der Nationalgarde, zusammen hundert Personen. Ihnen gelang es nach und nach, die Barrikaden zu beseitigen, die Arbeiter zur Ruhe zurückzuführen, und frohlockend blickte Wien, und mit ihm halb Deutschland auf diesen Triumph der Demokratie, nur siegreich durch ihre entschlossene Haltung, und ohne daß ein Tropfen Blutes geflossen war. Allerorten bestärkte der Verlauf dieser Mairevolution die demokratische Parthei in ihren Ansprüchen, wie auch in ihrem Vertrauen auf die Volkskraft, wobei man leider zu wenig erwog, wie viel bei diesem Triumphe auf Rechnung der schwächlichen Haltung der Gegenparthei zu setzen war. So blieb man blind für die Wahrnehmung, daß der Bogen viel zu straff gezogen war, insofern überhaupt in Oestreich eine Menarchie fortbestehen sollte, die sich unmöglich über Nacht aus einer absolutistischen, in eine belgische oder englische umwandeln konnte. An eine Proclamirung der Republik aber dachte man nicht, denn es war eine der Hauptforderungen des
Maiprogramms
, daß der Kaiser allsobald nach seiner »anhänglichen und vollständig beruhigten Hauptstadt« zurückkehren möge. Für diesen Wunsch fand man in Innsbruck einen Ausweg, indem der Kaiser seinen Oheim, den Erzherzog Johann zum Regenten während seiner eigenen Abwesenheit ernannte, trotzdem schon damals dessen Wahl zum deutschen Reichsverweser so gut als sicher war. Nichtsdestoweniger nahm der Erzherzog auch diese Würde an, und man schritt nun unter neuen Stürmen und Tumulten zu den Wahlen für den constituirenden Reichstag, von dem man jetzt alles Heil erwartete. Fortwährend erwies sich Pillersdorf dem Sicherheitsausschusse gegenüber so willfährig als möglich; unablässig vermittelte er zwischen Innsbruck und Wien und zeigte sich nur darin hartnäckig, daß er das indirecte Wahlrecht aufrecht erhielt, und dem Sicherheitsausschuß keinerlei Einmischung in die böhmischen Verhältnisse gestattete – – so scheiterte er mit seiner Mission, geordnete Zustände zurückzuführen, nur noch wenige Schritte vom Ziele entfernt. Noch kurz vor Eröffnung des Reichstages gelang es dem Sicherheitsausschuß, den gefälligen Minister zu stürzen, indem er erklärte, daß die früheren Träger des alten Systems unbedingt aus dem Ministerium zu entfernen seien, und Erzherzog Johann, eben im Begriff nach Frankfurt abzureisen, gab seine Zustimmung zu deren Entlassung. Nun wurden radicalere Elemente unter der Leitung von
Wessenberg
in das Cabinet berufen:
Doblhoff, Hornbostel, Schwarzer
und
Alexander Bach
, ein reicher und angesehener Rechtsanwalt, dessen politische Wandlungen bald alle Welt in Erstaunen setzen sollten. Es waren zum Theil tüchtige Männer, welche genügende Garantien ihrer demokratischen Gesinnung zu bieten schienen, und nur mit Widerstreben ertrug man es, daß einige ältere Mitglieder des Kabinets darin verblieben, unter denen namentlich der Kriegsminister
Latour
, ein alter Mann, der lange gedient, von vorn herein Mißtrauen erregte.
    Am 22. Juli wurde dann endlich der heißersehnte Reichstag durch den Reichsverweser Erzherzog Johann, der dafür eigends von Frankfurt gekommen war, mit einer Thronrede eröffnet, die in allgemeinen Ausdrücken von der Gleichberechtigung aller Nationalitäten in Oestreich, sowie von der Nothwendigkeit eines engen Verbandes mit Deutschland sprach, die Finanzlage als sehr precär schilderte und schließlich erklärte, daß der Reichstag dazu berufen sei, die Wiedergeburt des Vaterlandes zu vollbringen.
    Dieser Reichstag selbst bot nun ein höchst buntes und eigenthümliches Bild dar, es mischten sich in ihm nahezu alle Sprachidiome des östreichischen Ländercomplexes und nicht minder so die tiefste Unwissenheit mit hoher, wissenschaftlicher Bildung,

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