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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Kaisermacht auf's Günstigste für sich auszubeuten vermochte, und der Moment war auch in der That nicht ferne, da Oestreich seine verschiedenen Völker gegen einander in den Kampf führte, und seine Integrität durch ihre Selbstzerfleischung errettete.
    Die erste weitergehende Folge der böhmischen Protestation sich dem deutschen Parlamente anzuschließen, war diese, daß nun auch Oestreichs Regierung sich demselben nicht unterstellte, sondern sich seine freie Zustimmung zu dessen Beschlüssen einstweilen vorbehielt. Dann erschien am 25. April zu des Kaisers Geburtstag aus seinem Kabinet ein
Reichsgrundgesetz
, welches dem Kaiserstaate die
ersehnte Verfassung
verkündete; Italien und Ungarn waren dabei ausgeschlossen. Mit dem ersteren Lande befand man sich im offenen Krieg; letzteres hatte seinen Reichstag für sich, folglich bildeten jetzt die Slaven durch ihr numerisches Uebergewicht über die Deutschen, die vorherrschende Nationalität Oestreichs. – Gegen diese
octroyirte
Verfassung aber erhoben sich nun einstimmig Deutsche wie Slaven; man fand sie überdem in den freiheitlichen Kreisen Wiens viel zu wenig liberal, und wohl nicht mit Unrecht, wenn man zum Beispiel hört, daß im Oberhause der, nach dem Zweikammersystem eingerichteten, Verfassung die
kaiserlichen Prinzen
schon mit 20 Jahren Sitz und Stimme haben, die andern Vertreter jedoch erst mit 30 Jahren wahlfähig sein sollten. Spöttisch fragte man sich aller Orten, ob Prinzen 10 Jahre früher gescheit würden als andere Leute, und dem demokratischen Centralausschuß sowie der Studentenlegion war jetzt durch diese Octroyirung ein greifbarer Anlaß gegeben, sich zu rühren. Dem Minister, Graf
Fiquelmont
, wurde eine großartige Katzenmusik gebracht, und an die Stelle des unpopulär gewordenen Ministeriums trat jetzt das Ministerium
Pillersdorf
. Pillersdorf war beliebt bei dem Volke, sogar liberal, soweit ein Staatsmann aus Metternich's Schule dies sein konnte, auch wohlmeinend, dabei aber ohne jegliche Energie und jeglichen Entschluß. Einestheils von der reactionären Umgebung des Kaisers dupirt, und als Werkzeug benutzt, anderntheils viel zu schwach, um dem gesunkenen Ansehen der Regierung neue Geltung verschaffen zu können, wurde seine Würde bald ein Martyrium für ihn, das ihn in wenigen Monaten geistig und körperlich zu Grunde richten sollte.
    Der Centralausschuß verlangte jetzt mit Nachdruck, daß die octroyrte Verfassung zurückgenommen und dagegen eine
constituirende Versammlung
berufen werde, die nach allgemeinem Stimmrechte zu wählen sei. Am 8. Mai wurde diese Forderung denn auch wirklich bewilligt, aber es sollte nun, was man nach solcher Nachgiebigkeit auch mit Fug und Recht verlangen konnte, der Centralausschuß aufgelöst werden. Diesem Vorhaben widersetzten sich Volk und Studenten abermals mit den Waffen in der Hand, und die Regierung war schwach genug sich auch diesem Zwange zu unterwerfen. Aber nun ertrug es die Kamarilla nicht länger; sie entführte den willenlosen Kaiser nach Innsbruck, um ihn unter den Schutz des Tyroler Volkes zu stellen. Man wollte auf diese Weise den Wiener Bürger, der sich Wien und die Hofburg ohne einen Kaiser gar nicht vorzustellen vermochte, erschrecken und es gelang dies auch in der That. Voll Entsetzen erfuhren die Wiener, daß ihr Kaiser Ferdinand eine scheinbare Spazierfahrt nach Schönbrunn, bis nach Tyrol ausgedehnt habe, wo ihn die Bevölkerung mit lautem Enthusiasmus empfing, und erklärte, sie wolle sich bewaffnen, um nach Wien zu ziehen und dort die Ordnung wieder herzustellen. Das bestürzte Bürgerthum kam nun von seinem Rausche zurück, es machte Anstalten, die Studentenlegion aufzulösen und man schickte sich ernstlich an, die Aula zu schließen. Dies gab das Signal zum offenen Widerstand und zu einem zweiten Aufstande Wiens, der sogenannten Mairevolution. Die ganze innere Stadt bedeckte sich im Nu mit Barrikaden, auf den Straßen loderten die Wachtfeuer hell auf und die Bewaffneten erklärten laut, den Kampf gegen die Reaction aufnehmen und wie im März für die Freiheit siegen oder fallen zu wollen. In wie weit hier ein wirklicher Impuls die Massen vorwärts trieb, in wie weit fremde Emissäre, namentlich Sendboten Kossuth's, wie behauptet wird, im Geheimen mitwirkten, ist schwer zu entscheiden; jedenfalls hatte die Regierung den ersten Augenblick versäumt, um den neuen Aufstand zu unterdrücken und ihr gesunkenes Ansehen wieder herzustellen. Am 26. Mai wurde die Lage so drohend, daß der

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