Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Widerspruch erfolglos. Kossuth's Hauptaugenmerk richtete sich zunächst darauf, Ungarn eine selbstständige, unabhängige Armee und ebenso ein selbstständiges, von Oestreich getrenntes Finanzsystem zu schaffen, ein Verfahren, welches, wenn es glückte, die vollständige Abtrennung in sich schloß.
So sprachen denn auch er und seine Anhänger es bald offen aus, daß Oestreich aus seiner gegenwärtig schlimmen Lage nur errettet werden könne, wenn sich dessen Erbländer auf's Engste an den deutschen Bundesstaat anschlössen; mit diesem Bundesstaate würde dann das freie, unabhängige Ungarn eine feste Allianz bilden. In welcher Weise dabei Kossuth auf das Ueberwiegen des ungarischen Einflusses zählte, dies erläutert ein damals von ihm ausgesprochenes Wort in der von ihm geleiteten Zeitung: »Wenn die östreichischen und ungarischen Ministerportefeuilles in einer Hand vereinigt sein müssen, so sollen sie es in einer ungarischen Hand sein. Unser Herr und König hat dann zwei Reiche, das Eine, wo er vollkommen Souverän und dessen Mittelpunkt Ofen ist, das Andere, wo er von Frankfurt abhängt!«
Daß diese Politik Kossuth's, zu welcher sich das übrige Ministerium, an dessen Spitze Graf Bathyani stand, oft höchst widerstrebend mit hineineingerissen sah, den vollen Beifall der deutsch-republikanischen Parthei hatte, spricht von selbst, weniger zusagend fand man sie in Wien. Dem dortigen Ministerium war das Auftreten seiner ungarischen Kollegen in hohem Grade bedenklich, und man suchte ihre hochfliegenden Pläne möglichst niederzuhalten. Wiederholte Versuche der Ungarn, den Kaiser zu bewegen seine Residenz in Ofen zu nehmen, blieben erfolglos, und sahen sich kurz abgeschnitten durch dessen endliche Rückkehr von Innsbruck nach Wien. Gleichzeitig wies das Ministerium die Klagen Bathyani's und dessen Anfrage, ob man auch in Wien die Zusammengehörigkeit der ungarischen Kronländer anerkenne, und ob man folglich Ungarn in seinem Kampfe gegen die aufständigen Serben und Kroaten unterstützen wolle, kalt zurück, mit dem Bemerken, man werde die Sachlage untersuchen lassen, damit auch dem Banus Jellachich, an dessen Absicht einer Losreißung man nicht glaube, sein Recht geschehe. –
Als nun Radetzky's Erfolge den Hof mit neuem Muthe beseelten, glaubte man sich stark genug, die Zugeständnisse, welche die kaiserliche Regierung den Ungarn früher gemacht, wieder zurückziehen zu können. Insgeheim hatte man ja das Schwert des Banus in Bereitschaft gegen die rebellischen Magyaren, im Falle sie sich den höheren Gründen und Weisungen nicht fügen würden, welche jetzt die berühmte
östreichische Staatsschrift
ihren Wünschen entgegensetzte, und in welcher sich bereits der Gedanke einer durchgreifenden
Centralisation
des östreichischen Staatskörpers zu einer einheitlichen Monarchie, im Keime verrieth.
Mochte diese Denkschrift auch die volle Wahrheit aussprechen, wenn sie sagte: »Der Bestand eines von dem östreichischen Kaiserthum getrennten Königreichs Ungarn ist eine politische Unmöglichkeit!« – dieser Satz stand in offenbarem Widerspruch mit dem, was man den Ungarn im März und auch noch späterhin feierlich zugesagt. Nicht allein Kossuth und seine Parthei, die ganze Nation fühlte sich dadurch auf's Tiefste beleidigt, und dies um so mehr, als man gerade jetzt eine umfassende Rekruten-Aushebung vorgenommen, wie Oestreich sie gewünscht hatte, und sich überdem zu friedlichem Ausgleich mit dem Banus bereit zeigte. Formell war Ungarn im Rechte, denn die Denkschrift verletzte nicht allein die jüngst errungenen, sie verletzte auch seine früheren, so eifersüchtig gehüteten Vorrechte und Freiheiten.
Eine Deputation von hundert Magyaren begab sich nach Wien, verlangte, daß der König-Kaiser die Kamarilla entferne, nach Budapest übersiedele und den Truppen in Ungarn den Kampf gegen die Rebellen befehle, sonst würde die ungarische Regierung außer Stande sein, die Ruhe im Lande aufrecht zu erhalten. Der Kaiser that jedoch nichts, die Ungarn zu beschwichtigen; er ertheilte nur die Versicherung, daß er seinem Eide gemäß Ungarns Rechte und Integrität aufrecht erhalten werde, aber am selben Tage wurde der Banus Jellachich durch ein kaiserliches Handschreiben, worin sich die Ueberzeugung aussprach, daß bei des Banus unwandelbarer Treue und Anhänglichkeit an die Dynastie, derselbe niemals hochverrätherische Absichten gegen die Monarchie habe hegen können, wieder in seine Würden eingesetzt.
Damit war der
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