Deutsche Geschichte Von 1815-1870
von Vielen aus, wenn er in einem Gedichte an den Feldmarschall
Radetzky
denselben mit den Worten anredete:
»In Deinem Lager ist Oesterreich,
Wir andern sind einzelne Trümmer,
Aus Trägheit und aus Eitelkeit
Sind wir in uns zerfallen,
In Denen, die Du führst zum Streit
Lebt noch ein Geist von Allen,
Dort ist kein Jüngling, der sich vermißt,
Es besser als Du zu kennen,
Der was er träumt, und nirgends ist,
Als Weisheit wagt zu benennen!«
Andre kriegerische Dichterstimmen warnten noch derber, aus dem Lager selber, vor der Kraft der Armee und bedrohten Wien und die Aula mit der Aussicht auf das siegreiche Heer, das aus Italien kommend, sie zur Vernunft bringen werde. –
Den beklagenswerthesten Anlaß zu einer solchen Entwicklung der Militärgewalt gegen das eigne Volk, bot denn auch leider bald nachher der Ausbruch der Wiener
Octoberrevolution
, welche jedoch mit den Ereignissen in Ungarn in einem so innigen Zusammenhange steht, daß wir unmöglich an Jenen theilnahmlos vorübergehen können.
Die Erfolge, welche die Ungarn zu Anfang ihrer Revolution errungen hatten, machten sie jetzt allzukühn; man hoffte und glaubte, gestützt auf die Zugeständnisse des Kaisers, nun den Augenblick gekommen, da das Land der stolzen Magyaren sich wieder frei und unabhängig werde erheben dürfen, wie zu den ältesten Väterzeiten, und so entspann sich auf's Neue, unter dem jetzigen National-Ministerium, der nie endende Kampf um Ungarn's vollkommne Selbstständigkeit. Der Auflösungsproceß, welcher augenblicklich nach der Märzrevolution die östreichische Monarchie bedrohte, und während des ganzen Sommers von 48 in bedenklichster Weise sich geltend machte entzweite nicht minder die einzelnen Nationalitäten derselben, jede Parthei hoffte und wünschte auch die
Herrschende
zu werden und suchte zu diesem Zwecke die Person des Kaisers vorzugsweise an sich zu knüpfen. Die Bestrebungen der Böhmen fanden ihren Widerhall bei den Süd-Slaven, den Kroaten und Serben und wir haben bereits gehört, wie deren Banus Jellachich darnach trachtete, den 800 jährigen Verband, der Kroatien unter die Oberhoheit der ungarischen Krone stellte, zu zerreißen und Oestreich in einen großen Slavenstaat umzugestalten. Rebellische Aufstände der Serben im Banat gaben den Ungarn alle Ursache zu gerechten Klagen; wurden dieselben nun auch anfänglich von der kaiserlichen Regierung mißbilligt und der Banus von derselben öffentlich desavouirt, indem man ihn scheinbar seiner Würde wieder entkleidete, so verschärfte sich dadurch doch das selbstständige Auftreten der Magyaren ebensowohl Jenen gegenüber, wie der Regierung in Wien. Das wichtigste Organ dafür besaßen sie in dem constituirenden Reichstage, den der Kaiser von Oestreich ihnen gestattet hatte, damit derselbe die alte ständische Verfassung Ungarn's, im Geiste der Neu-Zeit zu einer Constitution umgestalte. Man konnte in der That in Wien nicht mehr thun, um die Ungarn in der Ansicht zu bestärken, daß sie fortan nur noch eine Personal-Union an Oestreich binden werde; sie hatten jetzt ihr besonderes Ministerium, sie hatten ihren besonderen Reichstag, sie hatten in der Person des Erzherzog Stephan ihren Palatinus, der den König als sein anderes Ich vertrat, und von ihm mit den weitgehendsten Vollmachten war ausgestattet worden.
Dem Wunsche der Magyaren, der Kaiser möge selbst von Innsbruck nach Ofen kommen, um den Reichstag in Person zu eröffnen, entsprach Ferdinand nun nicht, unter dem Vorwande, daß er sich dazu zu schwach und krank fühle, und daß er seine Gegenwart auch den Wienern, trotz ihrer Bitten, nach der Hauptstadt zurückzukehren, entziehe.
Stürmisch und aufgeregt, wie die Zeiten überall waren, verliefen denn nun auch die ersten Monate des ungarischen Reichstages, auf welchem Ludwig Kossuth als Redner und Agitator die Hauptrolle spielte, mehr und mehr seine Ziele und Absichten, Ungarn als eine ganz selbstständige Macht von Oestreich's Herrschaft zu befreien, und höchstens noch eine Personal-Union zu dulden, enthüllend. Er träumte von einem großen demokratischen Magyarenreiche, das im Anschluß an Deutschland dem vordrängenden Slaventhume das Gleichgewicht halten werde, aber leider ließen seine hochfliegenden Pläne ihn oft die Möglichkeit von deren Ausführung übersehen. Wenn er aber im Reichstag seine Stimme erhob und mit seiner hinreißenden Beredtsamkeit, die ihn oft weit über sein Ziel hinausriß, seine Ansichten vertheidigte, blieb jeder
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