Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Geschicke redigirt wurde. Das Kreuz, welches ihr Titelblatt schmückte, bekundete zur Genüge, wie scharf dieses Blatt die Grundidee des Königs, Aufrechthaltung des streng-monarchischen Princips, gestützt auf Religion und Kirche, zu vertreten gedenke. Diesen Kundgebungen standen die Ansichten der radicalen Majorität in der Berliner Versammlung schnurgerade entgegen. Das Programm der Demokratie lautete: »Trennung der Schule von der Kirche, Aufhebung des Adels, wie aller ständischen Unterschiede« – dies klang gleich Todtenglocken in den Ohren der preußischen Junker, der Geistlichkeit und aller kirchlich Gesinnten, um so schrecklicher, als in Berlin selbst die Demokratie in solchem Grade Boden gewann, daß sich am 26. October 1848 sogar ein Demokraten-Congreß dort versammeln konnte. Unter dem Präsidium des bekannten demokratischen Schriftstellers
Georg Fein
, durfte sich, inmitten der preußischen Hauptstadt, dieser Congreß offen für die zukünftige Begründung der demokratischen Republik in Deutschland aussprechen. Heute sind wir schon eher daran gewöhnt unumwundene Meinungen äußern zu hören, den damaligen Zuhörern, die nicht gleicher Meinung waren, erschien dies Alles fürchterlich! Bei solchen Verhältnissen war es fast ein Wunder zu nennen, daß die Berliner constituirende Versammlung noch zusammenhielt; der ehrendste Antheil daran gebührt dem edlen
Waldeck
, einem Manne, dem selbst die verbissensten Aristokraten ihre Achtung nicht versagen konnten, und der als Präsident der Versammlung das Unglaublichste leistete; selbst von entschiedenster Freisinnigkeit, gelang es doch seinem partheilosen Bemühen, die Extreme beider Theile im parlamentarischen Gleichgewicht zu erhalten. In dieser ersten preußischen Kammer saß auch, aber auf Seiten der Junker und mehr beobachtend als Theil nehmend, ein noch junger Mann, der Herr
von Bismarck-Schönhausen
, der sich gerne des öfteren zu
Waldeck, d'Ester, Jacoby
und den andern demokratischen Wortführern gesellte, lebhaft mit ihnen debattirte und gelegentlich sich auch über seine eigenen Standesgenossen moquirte, indem er sie als höchst langweilig bezeichnete. – Wie schroff nun der König und die Nationalversammlung sich einander gegenüber standen, dies zeigte sich recht klar, als am 8. Juni der Abgeordnete
Berends
den Antrag stellte: Die hohe Versammlung wolle in Anerkennung der Revolution zu Protokoll erklären, daß sich die Kämpfer des 18. und 19. März um das Vaterland verdient gemacht!« –
Der König war außer sich über dieses Ansinnen und entschlossen, im Falle der Antrag angenommen werde, den Landtag aufzulösen. Dessen Inhalt bezeichnete er in sehr verschiedener Weise von dem Antragsteller, indem er klagte, man wolle daß der Landtag die Revolution förmlich anerkenne und dem Barrikadengesindel Dank votire. Dies lautete freilich anders als die Reden, die er bei seinem Umzug im März gehalten! Der drohende Conflikt wurde dieses Mal noch beigelegt und beseitigt durch einen Vermittelungsantrag, worüber sich aber der Pöbel sehr unzufrieden zeigte, und mehrere Abgeordnete, selbst den Minister von Arnim der gegen den Ersteren gesprochen, auf der Straße thätlich angriff. Wenige Tage später, am 14. Juni wurde das Zeughaus gestürmt und geplündert, das Märzministerium mußte abtreten und es wurde ein neues gebildet, welches aber nicht weniger machtlos war, der Anarchie auf den Straßen zu steuern. Der König, der seine Minister fortwährend der Thatlosigkeit beschuldigte, besaß selbst weder Muth noch Energie, wenn Letztere einmal handeln wollten, dann beschwor er sie, den schlummernden Leuen nicht zu wecken. Immer erbitterter wurden die Reibungen zwischen den einzelnen Klassen der Gesellschaft, und es verfloß der Versammlung der Sommer und Herbst unter stürmischen Verhandlungen, welche namentlich die wachsende Macht und Brutalität des Militärs zur Sprache brachten, das in verschiedenen Städten auf die Bürger geschossen hatte, und wofür der Kriegsminister jede Genugthuung verweigerte. Drei Mal schon war unter diesen schwierigen Verhältnissen das Ministerium gewechselt worden, doch hatte bei jedem Wechsel der König sich wieder mit constitutionellen Männern umgeben, nun aber, unter dem Eindruck der besiegten Octoberrevolution in Wien entschloß man sich zu einer rettenden That, einem Gewaltstreich, der um so gerechtfertigter erschien, als jetzt wirklich der Berliner Pöbel das Aeußerste geleistet. Am 31. October trieb er die
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