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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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ausweisen konnten, mußten die Stadt verlassen und das Militär besetzte die Straßen. Von dem Letzteren war natürlich nicht zu erwarten, daß es sich in irgend einer Weise als Bürger des Staates fühlen und demgemäß handeln werde. Man durfte sich nur daran erinnern, aus welchem Grunde das vorletzte Ministerium, das von
Auerswald
, von seinem Posten zurückgetreten war. Es hatte sich geweigert, jene Beschlüsse der Versammlung ausführen zu lassen, die den Officieren eine aufrichtige Hingabe an das constitutionelle Leben geboten, und ihnen reactionäre Bestrebungen untersagten. Von einem Ministerium Brandenburg-Manteuffel war noch weniger Gutes zu erwarten, um die Militärgewalt in Schranken zu halten, und jeden Zweifel darüber zerstreute die berühmte Rede des alten General Wrangel, des Siegers von Schleswig und Jütland, der, nachdem er Oberbefehlshaber der Marken geworden, die Berliner in den Herbsttagen mit den Worten ansprach: »Die Truppen sind gut, die Schwerter haarscharf geschliffen, die Kugeln im Gewehr. Wie traurig sehe ich Berlin wieder. In den Straßen wächst Gras, die Häuser sind verödet, Handel und Gewerbe stocken« u.s.w. Es knüpfte sich daran der Gedankengang, daß Alles dieses nur durch die Demokratie verschuldet werde, und man die Hauptstadt von dieser erlösen müsse.
    Hier war also eine Macht, die sich zu Allem gebrauchen ließ und man konnte wieder zur offnen Gewalt greifen, ohne daß die Berliner einen besondern Anlaß zu solchen äußersten Schritten zu geben brauchten. Die Versammlung im Schützenhause, noch 248 Deputirte stark, antwortete den Maßregeln der Regierung durch einen einmüthig abgelegten Schwur, daß sie nimmermehr freiwillig ihren Platz verlassen würde, und dieses feste Auftreten ward ihr überdem zur Pflicht durch eine Masse von Zustimmungsadressen, die aus allen Provinzen herbeiströmten.
    Am 13. November genehmigte die Kammer eine Anklageschrift gegen das Ministerium Brandenburg und es wurde deren Druck beschlossen, um sie im ganzen Lande zu verbreiten, aber fast gleichzeitig erfolgte der Gegenstreich, indem das Sitzungsgebäude von Militär umstellt, und die Deputirten durch die eingedrungenen Soldaten hinausgetrieben wurden. Als Präsident
von Unruh
von einem Soldaten am Arme geführt, auf der äußeren Treppe erschien, rief er laut: »Ich protestire öffentlich gegen die Gewalt, die den unverletzlichen Vertretern des Volkes geschieht!« Das waffenlose Volk mußte es geschehen lassen, aber man bemerkte wohl, wie selbst das Militär seine Pflicht nur ungern erfüllte. Die Deputirten versammelten sich jetzt in dem Kölnischen Rathhaus und sprachen dort, als das äußerste gesetzliche Mittel, welches ihnen noch zu Gebote stand, am 15. November
die Steuerverweigerung
aus; im Anschluß daran sollte allsobald ein Aufruf an das preußische Volk ergehen, der es aufforderte, dem Ministerium Brandenburg keine
directen Steuern
mehr zu entrichten. Darauf wurde auch dieses Sitzungslokal geschlossen, in das Volk aber war eine Brandfackel geworfen, die in ähnlicher Weise zünden konnte, wie einst die Steuerverweigerung des englischen Parlaments unter Karl I., welche Jenem zuletzt Thron und Leben kostete. Man hat diesen äußersten Schritt der preußischen Kammer oft auf das Bitterste getadelt und doch hatte sie nur correct, wenn vielleicht auch unklug gehandelt; jedenfalls sah sie sich durch die folgenden Ereignisse und durch das preußische Volk selbst, in ihrem gesetzlichen Widerstande nicht unterstützt. Es kam wohl an manchen Orten, namentlich in der Rheinprovinz zu Steuerverweigerungen, während andere Städte von loyaler Gesinnung erfüllt, sich dagegen erklärten, so daß es sich gerade bei dieser Gelegenheit so recht schlagend erwies, wie die Ausübung constitutioneller Freiheiten und Rechte nur da zur Geltung kommen kann, wo ihnen ein in gleichem Sinne entwickeltes Volksleben entgegenkommt, wie dies zur Zeit eines John Hampden, eines Cromwell der Fall gewesen. – Der nächste Schritt der bedrängten Kammer war nun der, daß man auch diesen Conflikt vor das Parlament in Frankfurt brachte, und dieses sprach sich mit einer ziemlichen Majorität dahin aus, durch Reichscommissäre in Berlin dafür wirken zu wollen, daß die Regierung ein neues Ministerium ernenne, welches das Vertrauen des Landes besitze, bezeichnete dagegen die Steuerverweigerung als ungesetzlich und rechtswidrig. So bog man vor der scharfen Ecke der Revolution wiederum auf die Heerstraße der Langmuth

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