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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Frechheit so weit, vor dem Schauspielhause, in dem die Versammlung tagte, die mißliebigen Deputirten bei ihrem Austritt aus demselben, laut zu verhöhnen und ihnen als Symbol, was ihnen gehöre, Stricke entgegen zu halten. – Solche Demonstrationen gaben den willkommenen Anlaß mit Entschiedenheit vorzugehen, und der König berief jetzt, zur Neubildung eines Ministeriums, seinen Oheim, den
Grafen von Brandenburg
, einen Stock-Aristokraten, der dasselbe aus lauter reactionären Elementen zusammensetzte und in welches der so bekannt gewordene
Freiherr von Manteuffel
als Ministerpräsident eintrat. Darauf hin begab sich am 1. November eine Deputation aus der Nationalversammlung nach Potsdam zu dem König, um ihm eine Adresse zu überreichen, in welcher gegen ein Ministerium Brandenburg protestirt und ein neues volksthümliches Ministerium verlangt wurde. Der König nahm die Adresse zwar an, ließ sich aber auf keine Discussion ein, worauf Johann Jacoby ihn fragte, ob er denn ihre Wünsche und Bedenken nicht erhören wolle, da wandte ihm der König den Rücken und verließ mit einem kurzen: Nein! das Zimmer; Jacoby aber hatte den Muth ihm noch nachzurufen: »Es ist das Unglück der Könige, daß sie die Wahrheit nicht hören wollen!« Damit war der Bruch zwischen der Regierung und der Nationalversammlung ausgesprochen; die Volksparthei brachte Jacoby einen glänzenden Fackelzug, und am 8. November constituirte sich das neue Kabinet, mit welchem nun auch in Preußen eine Epoche der
entschiedensten Reaction
eingeleitet wurde. Der König fühlte sich persönlich wieder tief beleidigt, weil die Kammer den Titel: von Gottes Gnaden, abschaffen wollte; der Adel, der gleichfalls abgeschafft werden sollte, theilte die Empfindungen des Monarchen, und schaarte sich dicht um ihn. So machte die Versammlung thörichter Weise Formen den Krieg, anstatt sich mit Thatsächlichem zu beschäftigen, nicht bedenkend, daß Jene von selbst fallen, wenn ihre Zeit gekommen, und daß die Menschen viel leichter eine neue Idee, als den Angriff auf eine Form vertragen. Am 9. November vertagte eine königliche Ordre die Versammlung bis zum 27. November und verlegte sodann ihren Berathungsort nach
Brandenburg
, weil sie in Berlin unter der Herrschaft der Straßendemagogie nicht mehr frei berathen könne.
    Der jetzige Präsident der Versammlung,
Herr von Unruh
aus Magdeburg, widersprach der Gesetzmäßigkeit dieses Beschlusses, und ließ darüber abstimmen, ob man sogleich die Sitzungen in Berlin fortsetzen wolle oder nicht. Für das Erstere stimmten 252 Deputirte, und darnach erklärte die Kammer fast einstimmig, daß sie in der Hauptstadt weiter berathen werde. Ein von ihr ausgehender Erlaß an das preußische Volk erklärte, das Vaterland sei in Gefahr, und rief die Bürger auf, gemeinschaftlich mit der Versammlung in ruhiger Ausdauer den versuchten Staatsstreich zu vereiteln. Als am nächsten Tag die Abgeordneten gemeinschaftlich, je drei und drei, vor ihrem Sitzungslokal erschienen, fanden sie dasselbe verschlossen und mit Wachen besetzt. So mußte man also der Gewalt weichen, aber man zog von da in das
Schützenhaus
, welches die Schützengilde als Sitzungssaal angeboten hatte, um dort die Berathungen fortzusetzen. Nur 28 Deputirte fanden sich unter Allen, welche das ganze ungesetzliche Gebahren der Regierung durch eine Erklärung, daß dieselbe in ihrem Rechte sei, zu rechtfertigen versuchten. Diese ging aber jetzt unerschüttert weiter; am folgenden Tage wurde die Berliner Bürgerwehr aufgelöst, weil ihr Commandant sich geweigert hatte die Gewaltmaßregeln der neuen Minister auszuführen, und zugleich versicherte der König durch ein Manifest an das preußische Volk, daß er nicht daran denke, das constitutionelle Leben in Preußen auszulöschen. – Sein Verfahren bekundete nun allerdings eine höchst eigenthümliche Auslegung des constitutionellen Wesens, und daß er dergestalt doppelzüngig verfuhr, war wieder nur ein Ausfluß des inneren Schwankens und der inneren Unklarheit, die diesen unglücklichen Monarchen charakterisirten. Der zu straff angezogene Zügel mußte jetzt reißen oder brechen; als der Magistrat von Berlin sich der von dem Ministerium verlangten Hülfe bei Auflösung der Bürgerwehr widersetzte, wurde ohne Weiteres über Berlin der
Belagerungszustand
verhängt, alle Klubs und Vereine geschlossen. Zeitungen und Placate durften nur gegen Erlaubniß der Polizei ausgegeben werden, alle Fremden, die sich nicht genügend

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