Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Macht, um die bekannte Capitulation von
Villagos
mit den Russen abzuschließen, in Folge deren am 13. August 23,000 Mann von ihnen vor dem russischen General Rüdiger die Waffen streckten, unter denen sich 11 Generale und 1400 Officiere befanden. Fürst Paskiewitsch konnte an Kaiser Nicolaus den stolzen Bericht senden:
»Ungarn liegt Eurer Majestät zu Füßen!« –
Entrüstet sahen die Oestreicher, daß man sich lieber den Russen als ihnen unterwerfen mochte und ließen dies die Magyaren unter Haynau's Händen schwer verbüßen. Görgey hatte es versäumt, dem russischen Sieger solche Bedingungen zu stellen, die seine Freunde vor Oestreichs Rache würden geschützt haben und sie verfielen derselben jetzt rettungslos.
An einem und demselben Tage erlitten Graf Ludwig Bathyani und noch zwölf andere vornehme Ungarn mit ihm den Tod durch den Strang, ein Verfahren, welches Ungarn niemals vergeben, noch vergessen hat. Man schließe daraus, wie erst gegen das geringere Volk gewüthet wurde. Was Görgey allein entschuldigt, ist der Umstand, daß er für sich selbst eben so wenig gesorgt hatte, wie für die Uebrigen, und er entging dem gleichen Schicksale nur durch die energische Intervention des russischen Generals. Er wurde in Klagenfurt internirt, und ihm später Gratz als Aufenthaltsort angewiesen, wo er seine Memoiren schrieb und das einsame Leben eines Mannes führte, dem das Brandmal des Verräthers an einer heiligen Sache aufgedrückt war. Die Geschichte hat ihn seitdem vielfach von diesem Vorwurf freigesprochen, namentlich seitdem wir Capitulationen erlebt haben, gegen welche die von Villagos nur eine Kinderei ist. Die Zeitgenossen mochten Görgey härter beurtheilen, als er es verdiente; weil man den Mann so hoch stellte und verehrte, hatte man das Außerordentliche, ja das Unmögliche, von ihm erwartet; man hielt damals einen Görgey an der Spitze von 23,000 Soldaten und der entsprechenden Menge von Geschützen für unbesieglich und besser wäre es in der That für ihn gewesen, wenn er seine Truppen in den offnen, wenn auch noch so ungleichen Kampf geführt, und im heißen Schlachtgewühl gefallen wäre, denn sein Leben war fortan doch ein vollständig gebrochenes, welches der Tod vor wenigen Jahren endete.
Auch Haynau traf die gerechte Strafe der öffentlichen Meinung für die Rachsucht, die er in Ungarn ausübte. Selbst die Regierung konnte ihn nicht mehr halten und mußte ihn zuletzt in Ungnade entlassen. Als er sich darauf nach England begab, lehrte ihn dort eine erbitterte Volksjustiz, der er kaum lebend entging, daß die Weltgeschichte mitunter schon sehr bald auch ein Weltgericht ist. – Nur die jungfräuliche Festung Komorn befand sich noch in den Händen der Ungarn und wurde durch den General
Klapka
ritterlich vertheidigt; sie hielt sich noch bis zum 27. September, dann, weil ja doch Alles zu Ende, übergab sie Klapka unter den besten Bedingungen für die Garnison, sich selbst freien Rückzug nach England vorbehaltend.
Bem, Kossuth
und viele Andere mit ihnen flohen nach der nahen Türkei, wo der Sultan sie gastlich aufnahm, und, durch England unterstützt, in edelmüthigster Weise allen Drohungen Rußlands und Oestreichs widerstand, welche die Auslieferung Kossuth's und Dembinsky's von ihm verlangten. Sie wurden in der Türkei internirt, bis im Herbst des Jahres 1851 sich Kossuth mit mehreren seiner Freunde nach England begab, wo ihm aller Orten von den englischen Großen, wie von dem Volke, ein enthusiastischer Empfang bereitet wurde. Man sah in ihm, mochte er auch noch so große Fehler gemacht haben, nur den muthigen Kämpfer für ein formelles Recht, wie gegen einen neuen Absolutismus und die Herrschaft des Säbels.
Halbvergessen und ärmlich sich von Stundengeben ernährend, lebt der große Agitator noch heute in England, ein alter Mann, aber treu seinen republikanischen Ueberzeugungen, welche ihn davon zurückhalten, Gebrauch von der Amnestie zu machen, die Franz Joseph 1867 für alle verbannten Ungarn erließ, unter der Bedingung, ihm und den bestehenden Gesetzen Treue zu schwören.
Ungarn hat seitdem errungen, was ihm das Jahr 1848 versprach, in jenem Augenblick aber lag es zerschmettert zu den Füßen eines rücksichtslosen Siegers. Es verlor seine frühere Selbstständigkeit und sollte fortan als östreichisches Kronland mit Verlust seiner alten Constitution in der Gesammtmonarchie aufgehen. Sein Kampf und seine Niederlage beendigten die Revolutionsstürme, welche der März von 1848
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