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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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ihre Bedeutung gewinnen, und zur Ausführung kommen, wenn die Reichsverfassung beendigt und angenommen war. Sie standen und fielen mit derselben und mußten folglich leere Wünsche bleiben, bis endlich die Jahre von 1866 und 70 deren Erfüllung brachten. Andere Grundrechte, wie das
Vereinsrecht
, das
Petitionsrecht, freie Presse, Civilehe
und
Abschaffung der Todesstrafe
hingen so innig mit der ganzen freiheitlichen Entwicklung der Nation zusammen, daß es eben nur darauf ankam, ob die Sache des Fortschritts, oder ob die Reaction am Ende siegte 4 . Man konnte leider jetzt schon vermuthen, daß die Grundrechte noch auf lange hinaus nur ein Stück Papier bleiben würden, und einem gleichen Schicksal die in mühsamster Weise zu erringende Verfassung verfallen werde, zu deren Berathung nun das Parlament überging, was mit Recht eine Sisyphusarbeit genannt werden durfte. Jede Parthei in der Paulskirche wußte schon im Voraus sehr genau, was sie
nicht
wollte, und diejenige, die am offensten auf ein bestimmtes Ziel hinarbeitete, täuschte sich in trauriger Weise nicht allein über die ihr noch zu Gebote stehende Macht, sondern auch über die Persönlichkeit, auf die sie ihre Hoffnungen baute. –
    Was nun die Hauptbestimmungen der Reichsverfassung, die eine deutsche Einheit begründen sollte, betrifft, so sind uns auch diese schon hinlänglich bekannt, und dürften es um so mehr sein, als wir gerade jetzt in den endlichen Besitz derselben eingetreten sind. Als selbstverständlich galt vorerst, daß der künftigen
Reichsgewalt
die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands nach Außen, sowie die Macht, Krieg und Frieden zu erklären und abzuschließen, übertragen werden mußte; gleicherweise sollten ihr alle Verkehrswege, sowie das Post-, Eisenbahn- und Zollwesen unterstellt werden, – ihre fernere Aufgabe war es, eine
allgemeine deutsche Gesetzgebung
zu veranlassen, wie auch Maß, Münze und Gewicht einheitlich zu regeln. Ein Staatenhaus und ein Volkshaus sollten von Reichswegen die Spitze dieser Verfassung bilden, und die Uebereinstimmung beider zu einem Reichsbeschluß erforderlich sein, wobei der
Reichsgewalt
ein
suspensives Veto
zustand. – Diese Verfassung war an und für sich gewiß nicht schlecht, sie umfaßte alle Wünsche der Nation, aber wer sollte sie ausführen, wer sollte ihr Haupt sein? – Gerade jetzt war das Programm von
Kremsier
ausgegeben worden, welches die
Centralisation Oestreichs
aussprach – konnte jener gemischte, buntzusammengesetzte Staat dieses Haupt bilden, nachdem eben dessen leitender Staatsmann, Fürst Schwarzenberg, das Wort ausgesprochen: »Erst wenn das verjüngte Oestreich und das verjüngte Deutschland zu neuen, festen Formen gelangt sind, wird es möglich, ihre gegenseitigen Beziehungen staatlich zu bestimmen! Bis dahin wird Oestreich fortfahren, seine Bundespflichten treulich zu erfüllen!« – Man sieht, es sprach sich darin ein
Aufschieben
von Seiten Oestreichs aus, kein
Aufgeben
eines Zieles, dem es ehrlicherweise hätte freiwillig entsagen müssen. Seine Abgeordneten blieben im Parlament, Erzherzog Johann behielt die Centralgewalt, – man dachte nur an sich, man suchte nur die Hand im Spiele zu behalten, was aus Deutschland dabei wurde, war Nebensache. –
    Immerhin war jedenfalls jetzt im Parlament, unter dem Eindruck des Programms von Kremsier, der günstigste Moment, mit der preußischen Kaiseridee hervorzutreten, nur fiel er leider wieder mit einem Augenblick zusammen, da Preußens Regierung durch die Vorgänge, die wir kennen, sich abermals bei dem größten Theile Deutschlands um alle Popularität gebracht hatte.
    Eine andere Schwierigkeit bot die Haltung des Königs selber dar; in trostloser Unentschlossenheit wollte er sich heute an die Spitze der Ereignisse stellen, schwelgte er in nationalen Gefühlen und wollte er Deutschland zur Einheit verhelfen, morgen bebte er wieder scheu vor jedem Schritte zurück, der ihn in Konflikt mit der Legitimität der andern Fürsten, namentlich mit der Oestreichs, bringen und ihn in eine Stellung versetzen konnte, die sich mit seinen unklaren Ideen von einem königlichen »Gottesgnadenthum« durchaus nicht vertrug. Er war sich dessen wohl bewußt, daß ein großer Monarch alle derartigen Bedenken würde bei Seite geworfen haben; sagte er doch eines Tages zu
Beckerath
, welcher zu denen gehörte, die in Berlin ab und zu gingen, um den König für die Kaiserwürde zu gewinnen: »Friedrich der Große wäre ihr Mann gewesen, ich bin kein

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