Deutsche Geschichte Von 1815-1870
befriedigenden Einheit war jetzt vorüber und schlechten Trost gewährte die Aussicht, die der König gegeben, auf eine erst noch zu versuchende Vereinbarung mit den deutschen Regierungen.
Oestreich triumphirte; am 5. April rief es seine Abgeordneten aus der Paulskirche zurück und Fürst Schwarzenberg schrieb an Schmerling: »Noch ist der deutsche Bund, wie ihn die Tractate schufen, nicht aufgelöst, noch bestehen die Rechte und Verbindlichkeiten seiner Glieder.« – Von den Deputirten leisteten die Meisten der Abberufung Folge, nur etwa 20 Treugesinnte blieben im Parlamente zurück; dagegen traten jetzt ungerufen viele Großdeutsche aus andern Ländern aus.
Am 11. April vereinigten sich die noch Anwesenden der verschiedenen Partheien zu dem gemeinsamen, feierlichen Beschluß,
in jedem Fall
an der Reichsverfassung festzuhalten, und es wurde ein Ausschuß gewählt, um die Maßregeln für deren practische Durchführung zu berathen. Die Oberhauptsfrage ließ man einstweilen noch offen, auf bessere Zeiten und Einsicht hoffend.
So drängten die Ereignisse immer wieder und wieder die Versammlung zu einem selbstständigen Handeln, oder, wie man es richtiger nannte, auf den Weg der Revolution, denn im directesten Widerspruch zu den eben erwähnten Parlaments-Beschluß, stand jetzt wieder das weitere Vorgehen der preußischen Regierung. Schon am 4. April erließ sie eine Circularnote an die deutschen Regierungen, in der sich die Bereitwilligkeit des Königs aussprach, an die Spitze eines deutschen Bundesstaates zu treten, nachdem zuvor eine allgemeine Verfassung in Vereinbarung mit ihnen, den Regierungen, zu Stande gekommen und ein freies Einverständniß von ihrer Seite zu erwarten sei. Sie wurden ersucht, sich durch ihre in Frankfurt befindlichen Bevollmächtigten darüber auszusprechen.
Gagern, in seiner Eigenschaft als Reichsminister, befragte nun, um einem Conflict vorzubeugen, diese Bevollmächtigten, und erlangte von 28 Kleinstaaten eine Erklärung, in welcher sie ihre Bereitwilligkeit, das preußische Kaiserthum und die Reichsverfassung anzuerkennen, ausdrückten, und dabei die Einsicht aussprachen, daß man wohl einige Opfer werde bringen müssen. Die Königreiche aber verhielten sich passiv, und so erschien dieses Resultat in Berlin als so ungenügend, daß die zweite Kammer, – trotz ihrer jetzigen Zahmheit, denn es war diejenige, die aus der
octroyirten
Verfassung hervorgegangen war – ungeduldig wurde, und am 21. April den Antrag von
Rodbertus
annahm, der das Festhalten Preußen's an der Reichsversammlung verlangte und die Hoffnung aussprach, der König werde doch noch die Kaiserkrone annehmen. Dies war so wenig nach dem Sinne der Regierung, daß Graf Brandenburg, der hauptsächlich den Widerstand des Königs unterstützte, die Kammer auflöste. Aehnliche Beschlüsse hatten unterdessen die Kammern von Hannover und Sachsen gefaßt, wofür sie ein gleiches Auflösungsschicksal betraf. Ueberall, in allen Schichten der Gesellschaft erhob sich jetzt ein furchtbarer Widerstreit; fast in jedem Ländchen standen sich erste und zweite Kammer feindselig einander gegenüber, die Eine das liberale und nationale, die Andere das reactionäre und partikularistische Element vertretend.
Am lebhaftesten und tiefgehendsten zeigte sich naturgemäß die Begeisterung für die Reichsverfassung im Südwesten von Deutschland; der König von Würtemberg war ja einer der Ersten gewesen, der sie angenommen, aber er sträubte sich hartnäckig gegen das preußische Oberhaupt, bis er endlich auch darin, gedrängt durch die fieberhafte Erregung seines Landes und bearbeitet durch seine Märzminister Römer und Duvernoy nachgab und erklärte: »er wolle nichts mehr dagegen einwenden, wenn der König von Preußen, der das Erbkaiserthum nicht annehmen wolle, sich für jetzt mit Zustimmung der deutschen Nationalversammlung an die Spitze Deutschland's stelle!« Der ungeheure Jubel des Würtembergischen Volkes fand seinen Widerhall in ganz Deutschland, und stärkte auf's Neue die Hoffnung einer endlichen glücklichen Lösung. Doch vergebens; am 28. April zeigte Graf Brandenburg der Centralgewalt im Namen seines Königs die
definitive
Ablehnung der Kaiserwürde an, erklärend, daß die größeren Regierungen die vorliegende Verfassung nicht annehmen könnten, daß die Errichtung eines erblichen Kaiserthums für Deutschland zu gefährlich sei, und daß die Krone Preußens sich eben so wenig einem andern deutschen Fürsten unterordnen werde. Man
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