Deutsche Geschichte Von 1815-1870
unhaltbarsten Vorschläge bezüglich eines ferneren Zusammengehens mit Deutschland, die Männer des Parlaments so schlau zu umgarnen, daß Schmerling's Entlassungsgesuch nicht angenommen wurde, während ein Antrag von
Welcker
, der sich bis dahin mit allen Kräften dem Ausschluß Oestreichs widersetzte, nun aber, durch Oestreichs Doppelzüngigkeit empört, darauf drang, das Parlament möge als Antwort darauf durch einen Gesammtbeschluß die Reichsverfassung annehmen und die Uebertragung der Kaiserwürde an Preußen aussprechen, durchfiel. Wahrlich, heute noch steigt uns die Schamröthe ins Gesicht, wenn wir uns daran erinnern, in welch' frivoler Weise damals Oestreichs Politik wiederum mit des übrigen Deutschland Wohlfahrt und Ehre gespielt.
Nicht als Protest dagegen, wie Welcker es gewollt, sondern im Verlauf des parlamentarischen Geschäftsganges wurde dann, bei der zweiten Lesung des Verfassungsentwurfes, der
erbliche
Kaisertitel, sowie die Uebertragung desselben an einen deutschen Fürsten angenommen, und dann, was zu erwarten stand, am 28. März 1849, in der 196. Sitzung des Parlaments, der König von Preußen mit 290 Stimmen zum deutschen Kaiser gewählt; 248 Abgeordnete, sie gehörten der Linken und den »Großdeutschen« an, hatten sich der Abstimmung über die letzte Frage enthalten. Zu den Transactionen, welche zwischen den einzelnen Partheien vor den entscheidenden Abstimmungen stattgefunden, gehörte das Zugeständniß eines nur
suspensiven
Veto's für den neuen Kaiser, welches die Kaiserparthei der Linken gemacht, um sie zu gewinnen, und nun war es gerade diese Bestimmung, welche das Gefühl des Erwählten besonders empfindlich berühren sollte. –
Unter dem abermaligen Geläute aller Glocken verkündete nach vollbrachtem Werk der jetzige Präsident des Parlaments, Simson, das Wahlergebniß, dabei den frommen Wunsch aussprechend: »Möge der deutsche Fürst, der wiederholt und öffentlich in unvergeßlichen Worten den warmen Herzschlag für die deutsche Sache sein kostbares mütterliches Erbe genannt hat, sich nun als Schutz und Schirm der deutschen Einheit bewähren!«
Am 29. März wollte darauf der beleidigte Erzherzog Johann seine Würde als Reichsverweser niederlegen, aber das Reichsministerium bestimmte ihn, diesen Entschluß wieder zurückzunehmen, und einige Tage später lief eine Note des östreichischen Kabinets ein, mit der Weisung, er möge Frankfurt in keinem Falle verlassen, denn so lange nicht für Deutschland eine neue Verfassung auf dem Wege der Vereinbarung zu Stande gekommen sei, werde Oestreich die Verträge von 1815 aufrecht erhalten. Damit war der verhaßte Bund auf's Neue insgeheim regenerirt und der ehrliche Johann fügte sich wieder geschmeidig den höheren Weisungen, blieb in Frankfurt und spielte die Reichsverweserkomödie ruhig fort, bis es Zeit wurde, mit offnem Visir aufzutreten. Inzwischen war am 30. März die Kaiserdeputation nach Berlin abgereist; man setzte jetzt erneute Hoffnung auf die vollendete Thatsache, und hoffte den König willfährig gestimmt zu finden. Es waren 33 Deputirte, alle Theile Deutschland's vertretend, geführt von dem Präsidenten
Simson
, denen diese hohe Mission zu Theil wurde; unter ihnen befanden sich die Professoren
Arndt, Dahlmann, Mittermaier
und Andere, die nun den Traum ihrer Jugend, der sie nach Napoleon's Sturz beseelte, glaubten verwirklicht zu sehen.
In kurzen Tagereisen näherten sie sich Berlin, um dem König Zeit zur Ueberlegung zu lassen; die Personen aber, die ihm näher standen hatten wenig Hoffnung auf ein Gelingen. Einige Wochen zuvor, hatte ihn
Bunsen
, wie er selbst erzählt, »mit Thränen im Auge, schweigend, schweren Herzens verlassen.« Bei dieser letzten Unterredung über die Kaiserangelegenheit, sagte ihm der König unter Anderem: »Der Weg, den man eingeschlagen, ist ein Unrecht gegen Oestreich, ich will mit dem Fortführen einer so abscheulichen Politik nichts zu thun haben, sondern überlasse sie
den Ministern
.« Der König nahm hier eine Doppelstellung an, die wahrhaft wunderbar zu nennen ist und der deutschen Sache ebenso verderblich werden mußte, wie sie seine treuesten Anhänger vor ganz Deutschland beinahe mit dem Fluche der Lächerlichkeit belastete. Friedrich Wilhelm stand persönlich während dieser ganzen Zeit in geheimem Briefwechsel mit Olmütz, und von dort aus verstand man es ohne Zweifel meisterlich, die tiefe Antipathie, die er gegen die Revolution hegte, mit Vortheil zu benutzen, ihn in
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