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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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hatte nämlich in Frankfurt die Ansicht ausgesprochen, daß, wenn Friedrich Wilhelm doch noch ablehne, man die Kaiserwürde dem nächstgrößten Fürsten anbieten könne, also
Bayern
, aber Bayern trat so entschieden gegen das Parlament auf, daß jetzt der Wunsch nahe lag, sich an
Würtemberg
zu wenden, welches einzig und allein von den größeren Staaten sich reichsfreundlich bewiesen.
    Nun war es auch damit vorbei, und so machte die Versammlung noch einen letzten Versuch, die Reichsverfassung zu retten, indem sie der Anschauung eines ihrer Mitglieder beitrat, welches die Ansicht verfocht, daß die deutsche Einigung unter preußischer Oberhoheit ihre Berechtigung in sich selber trage und unabhängig von einem jeweiligen König und einer jeweiligen Regierung sei. Gestützt auf dieses Raisonnement, wurde am 4. Mai mit einer nur geringen Majorität der unselige Beschluß gefaßt, die Reichsverfassung in die Hände des deutschen Volkes niederzulegen und ihm die Durchführung derselben zu überlassen. Man rief die gesammte Nation auf, alle Kammern, Einzelstaaten und Regierungen, die, von den Vertretern des Volkes berathene und angenommene Reichsverfassung nun zur Anerkennung zu bringen, und schrieb sodann neue Wahlen für den ersten Reichstag aus, der am 22. August in Frankfurt zusammentreten sollte, mit dem Zusatz, daß wenn Preußen's König sich noch nicht eines Besseren besonnen hätte, so sollte der größte der reichsfreundlichen Fürsten Deutschland's Kaiser werden. So säete man, nachdem man vorher jedes energische Handeln streng vermieden, den Wind, um Sturm zu ernten. Schon am 7. Mai erklärte Preußen diese Beschlüsse für null und nichtig und am selben Tage fand innerhalb der Paulskirche eine der stürmischsten Sitzungen statt. Jetzt handelte es sich darum, nachdem Preußen schon mit den Waffen gedroht, nachdem bereits in Sachsen und in der Pfalz der Aufruhr für die Durchführung der Verfassung ausgebrochen war, wie das Parlament seinen Beschluß vom 4. Mai auszuführen gedachte.
    Was thaten aber jetzt die Schöpfer der Verfassung und der Kaiseridee? Hatten sie im Verein mit der Linken die Aufforderung hinaus in das Volk geworfen, das von ihnen geschaffene Gesetz aufzunehmen, dasselbe zur Geltung zu bringen, so mußten sie jetzt auch den Muth haben, im ehrlichen Kampfe mit Gut und Blut, wie man so oft sich schon vermessen hatte, für ihr Werk einzustehen. Wer den ersten Schritt gethan, der durfte auch vor dem zweiten nicht zurückzuweichen, und mit vollster Klarheit hatte Beckerath bei der Berathung darauf hingewiesen, daß man mit dem Beschlusse vom 4. Mai den Weg der Revolution betrete, und dringend warnte er, denselben nicht zu beschreiten, wenn man nicht weiter darauf gehen wolle. Es hieß in der That mit den Sittlichkeitsbegriffen der Nation spielen, wenn man sie zu einer That, wenn man sie zum Handeln aufforderte, um sie dann im nächsten Augenblicke sich wieder selbst zu überlassen, und hinterher ihr Auftreten als revolutionär und gewaltthätig zu verdammen.
    Fast überall, auch in Preußen traten in Folge jener Parlamentsaufforderung die Bürgerwehren aus freiem Antrieb zusammen und leisteten den Eid auf die Reichsverfassung, an vielen Orten verlangten die Truppen, ein Gleiches zu thun, und man mußte ohne Zweifel den Rednern der Linken Recht geben, wenn sie in jener Sitzung vom 7.
Mai
es auf jede Weise zu begründen suchten, wie jetzt unabweislich der Augenblick zum gemeinschaftlichen Handeln gekommen sei. Unter stürmischem Beifall rief Simon von Trier aus: »Man hat uns gesagt, wer die Regierung hat, der hat die Heere. Ich kehre den Satz um: mit
den Heeren
werden wir die Regierung haben. Man wartet ja nur darauf, daß die Beeidigung des Heeres ausgesprochen werde. Grausam wäre es, Officiere und Soldaten in dieser schwankenden Lage zu lassen. Jeder Tropfen Blut, der durch solch Zaudern vergossen wird, kommt über Ihre Häupter!« – und Zimmermann aus Stuttgart fügte dem hinzu: »Wir müssen zeigen, daß wir uns nicht in's Gesicht schlagen lassen! Welches sind die
Mittel
? das ist die zweite Frage, ein Mann wie Herr von Gagern muß dies wissen.
Wir haben
die Mittel. Das Reichsministerium ziehe die Truppen, die die Verfassung bereits anerkannt haben, an sich, das ist der Kern, um ihn werden Hunderttausende sich schaaren. In solchen Zeiten ist der schwankende Wille ein schlechter Steuermann. Ich sage: das Ministerium Gagern bleibe und handle!« – Aber das Ministerium Gagern blieb nicht,

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