Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Soldaten der schleswig-holsteinischen Armee begaben sich zu Hunderten nach Brasilien, durch falsche Vorspiegelungen verlockt, wo die Meisten im Elend starben und verdarben. Dänemark hatte keine Opfer zu bringen, als die Aufhebung des
Sundzolles
, einer alten Anmaßung, gegen die sich alle seefahrenden Nationen schon längst empört hatten. Die Anfänge der deutschen Flotte aber, für die in Deutschland der Aermste sein Scherflein gegeben, für welche die deutschen Frauen gearbeitet und gewirkt hatten, diese wurden öffentlich versteigert. Dem oldenburgischen Staatsrath,
Hannibal Fischer
, wurde die traurige Berühmtheit zu Theil, sich diesem odiosen Geschäfte unterzogen und die Flotte unter den Hammer gebracht zu haben.
Für die unglücklichen Herzogthümer konnte das deutsche Volk jetzt nichts mehr thun, als wieder mit ihm weinen und seine Sympathien durch Geldspenden zu bethätigen, welche einigermaßen das Elend der zahlreichen, abgesetzten Beamten und Geistlichen linderten. –
Das alte Staatsschiff
Oestreich
, das man schon halb zertrümmert gesehen, ging unterdessen, wieder neu geflickt und aufgeputzt, unter Segel, welche der Hauch Metternich'scher Politik bald wieder lustig blähte; seine Steuerleute waren die Jesuiten, sein Anker
das Konkordat
mit Rom. Diese Schöpfung des jetzt ganz reactionären Minister's
Bach
erlaubte den Bischöfen, nun wieder ungescheut in die weltlichen Dinge einzugreifen, und gab dem Klerus neben der
Lehrfreiheit
auch die Erlaubniß, Klöster und Seminare einzurichten. Unter östreichischem Einflusse wurden jetzt bald ähnliche Konkordate mit allen süddeutschen Staaten abgeschlossen und begünstigte man dergestalt von Wien aus nach Kräften den Ultramontanismus, so geschah Aehnliches in Berlin für den Pietismus, die sich denn auch jetzt, wie immer, vollkommen mit einander vertrugen. Man glaubte zuversichtlich, durch diese sogenannte Wiederbelebung des religiösen Lebens neuen Revolutionen eine feste Schranke entgegenzusetzen und wenig fehlte jetzt noch in Deutschland daran, daß Napoleons des Ersten Wort, welches er auf St. Helena ausgesprochen: »In 50 Jahren ist Mittel-Europa republikanisch oder kosakisch«, – sich an ihm erfüllte. Vom tiefsten Schmerze über des Vaterlandes Geschick ergriffen, schrieb
Baron Stockmar
im Winter 1851 einem Freunde: »Wie ich jung war, beherrschte Napoleon den Continent. Jetzt sieht es aus, als ob der russische Kaiser an dessen Stelle getreten sei, und als ob er, für einige Jahre wenigstens, in anderer Absicht und mit andern Mitteln, dem Festlande das Gesetz dictiren werde.« –
Zwanzigste Vorlesung
Allgemeine europäische Reaction. Der Staatsstreich in Frankreich. Zweites Kaiserthum. Der Krimkrieg. Frieden von Paris. Deutschland's totale Ohnmacht. Graf Orsini. Frankreich's Bündniß mit Italien. Cavour. Französisch-italienischer Krieg. Frieden von Zürich. Thronwechsel in Preußen. Wilhelm I. Militärreform in Preußen. Der Nationalverein. Reformverein. Herr von Bismarck Minister. Der Berliner Budgetstreit. Fürstencongreß in Frankfurt. Tod des Königs von Dänemark. Die Herzogthümer. Krieg mit Dänemark. Handelsverträge mit Frankreich und Italien. Preußisch-italienische Allianz. Preußen beantragt Bundesreform. Attentat auf Bismarck. Ausbruch des Krieges. Preußen und Italien gegen Oestreich. Feldzug in Böhmen. Die Mainarmee. Friede von Prag. Der Nordbund. Die Mainlinie. Verfassung des Nordbundes. Erster Reichstag. Zollparlament.
Das neue deutsche Reich
!
Wir haben im Laufe dieser Darstellung manche schmerzvolle Phase der deutschen Geschichte kennen gelernt, doch lastete kaum eine andere Zeit von solch tiefer Muth- und Hoffnungslosigkeit auf der ganzen Nation, als die von 1850 bis 60. Das Bewußtsein, man habe einen glorreichen Aufschwung gemacht und sei doch nicht fähig gewesen, dessen Früchte festzuhalten, war ein unendlich schmerzliches und wurde mehr oder weniger von allen Partheien getheilt, die nicht vollständig auf den Rückgang zum Alten – gar Manche sagten, auf den Untergang des Vaterlandes – hinarbeiteten. – Ein gleiches Schicksal bedrückte unsere Nachbarvölker; wie Alle, von einem gleichen Funken entzündet, im Jahre 1848 aufgestanden und für ihre Freiheit und Unabhängigkeit gekämpft hatten, so erblicken wir jetzt wieder eine
solidarische Coalition des Absolutismus
, der noch einmal, zum letzten Male, wie wir hoffen, seine eiserne Hand auf Europens Völker legte, und ihren Rechten und
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