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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Beistand brauche und verlange zu Hülfe eilen zu können, dabei sei er genöthigt, seine Gränzen fast hermetisch abzuschließen, die deutschen Socialisten und Revolutionäre fern zu halten. –
    Was konnte also Kaiser Nicolaus willkommener sein, als sich jetzt entschieden in die deutschen Angelegenheiten einmischen zu dürfen; er begab sich nach
Warschau
, wo Ende October unter seinem Vorsitze die Minister Oestreichs und Preußens über die deutsche Frage verhandelten. Preußen zeigte sich zu jedem Ausgleich bereit, und ließ ohne Bedenken die Bedingung einer Volksvertretung neben einem zukünftigen Bunde ganz fallen – vergeblich, man ging auf keinen der preußischen Vorschläge ein, weil
Fürst Schwarzenberg
schon zuvor den Grundsatz ausgesprochen hatte:
Man muß Preußen herabwürdigen und es alsdann zerstücken
! Das Erstere geschah denn auch in vollem Maße; Rußland stellte sich ganz auf Oestreichs Seite und
Graf Brandenburg
sah sich von Kaiser Nicolaus so schnöde behandelt, daß er diese Kränkungen nicht verwinden konnte, krank nach Berlin zurückkehrte und dort am 6. November starb. –
    Noch einmal drängte jetzt Radowitz den König zur Festigkeit; er wollte, daß Preußen auf seinen Forderungen bestehen bleibe, sich rüste und mit Waffengewalt drohe, wenn Oestreich nicht einlenke. Ihm zur Seite stand der Prinz von Preußen, auch er wollte entschieden den Krieg; einstweilen wurden die Etappenstraßen, welche durch Kurhessen führten, unter dem Befehl des General v. d. Gröben durch preußische Truppen besetzt, und ein preußisches Korps rückte zum eventuellen Schutze der Stände, in Kassel ein. Aber der König stimmte denjenigen Ministern bei, welche den Frieden um jeden Preis wollten, worauf Radowitz am 2. Nov. seine Entlassung einreichte und dieselbe auch erhielt. – Sein Portefeuille als Minister des Auswärtigen übernahm der Freiherr von Manteuffel, der, allerdings mit voller Hintansetzung der preußischen Ehre, die Versöhnung und Verbrüderung mit Oestreich durchzuführen versprach. Man hat heute für Friedrich Wilhelm's Benehmen nur die eine Entschuldigung, daß er ein kranker Mann gewesen, sonst ist seine vollständige Entschluß- und Haltungslosigkeit geradezu unerklärbar.
    Manteuffel
gab jetzt Preußens Willfährigkeit, den Bundestagsbeschlüssen nichts in den Wegs legen zu wollen, in Wien zu erkennen, verlangte aber, man möge nun auch östreichischerseits die Rüstungen einstellen. Da man jedoch ruhig damit fortfuhr, kam in Berlin die Kriegsparthei wieder für einen Augenblick obenauf, und der Prinz von Preußen setzte es durch, daß am 6. November die Mobilmachung befohlen wurde, welcher das preußische Volk mit Freude und theilweise sogar mit Begeisterung entgegenkam.
    Am 11. November war inzwischen, wie in
Bregenz
beschlossen wurde, ein aus Bayern und Oestreichern zusammengesetztes Armeecorps in Kurhessen einmarschirt, besetzte Hanau und marschirte gegen Kassel, um dort zu
Gunsten
des Kurfürsten zu interveniren; ein Zusammenstoß war unvermeidlich, wenn man jetzt in Berlin standhaft für den Krieg blieb, aber man scheute sich vor einem Blutvergießen zwischen legitimen Mächten, und am 8. November erhielt
Gröben
den Befehl, jeden Zusammenstoß zu vermeiden und sich zurückzuziehen, was er denn auch sofort that. Nur seine Nachhut kam noch mit der feindlichen Vorhut, bei dem Dorfe
Bronnzell
, in feindliche Berührung. Zwischen Beiden wurden einige Schüsse gewechselt, denen aber nur der vorwitzige und berühmte »Schimmel von Bronnzell« zum Opfer fiel, der von diesem Tage an von allen Feinden Preußen's zu dessen Hohn und Schaden durch die folgende Zeit hindurch geritten wurde, bis er sich 1870 vollends schlafen legte. –
    Niemand hinderte jetzt noch den trotzigen Kurfürsten und seinen Hassenpflug daran, nach Kassel zurückzukehren und das ganze Land ihre Rache und ihren Zorn fühlen zu lassen; unter dem Schutze der östreichisch-bayerischen Bajonette wurde die freisinnige Verfassung von 1831 wieder beseitigt, und massenhaft die Beamten und Offiziere entweder abgesetzt oder vor Gericht gestellt. Wer irgend konnte, gab seine Regierungsstellen auf, und endlose Züge von Auswanderern verließen das kurhessische Land. Von dem tiefen Hasse, der Jedermann gegen Hassenpflug erfüllte, gab der Jubel Kunde, der sich überall in Deutschland erhob, als einige Zeit darnach der eigene Schwiegersohn des Kurfürsten, Graf Isenburg, den Minister in Kassel selbst, auf offner Straße, durchpeitschte.

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