Deutsche Geschichte Von 1815-1870
süddeutschen Fürsten und noch vieles Andere deutete darauf hin, daß die Ideen von 48 anfingen, aus ihrem Winterschlaf zu erwachen, denn auch die Nation hatte nicht ganz müßig dreingeschaut, und gab das erste, größere Zeichen einer neuen politischen Regsamkeit durch die Gründung des
deutschen Nationalvereins
. Den Anstoß dazu hatte ein Anhänger der früheren gothaischen Parthei, der Hannoveraner von Bennigsen gegeben, und es fand am 17. Juli 1859 in
Eisenach
eine erste Versammlung der alten Gothaer statt. Hatte man es doch gerade jetzt erst erlebt, wie viel Großes in Italien durch den dortigen Nationalverein und dessen Führer zu Stande gebracht worden war, warum sollte ein ähnliches Bestreben den Deutschen versagt sein, wenn ihnen auch noch für's Erste der patriotische Fürst und der geniale Minister fehlten, welche jenseits der Alpen einem nationalen Bestreben den sicheren Rückhalt boten? Auf einer zweiten Versammlung des Vereins wnrde durch eine Adresse der damals populärste Fürst Deutschland's, 7 Herzog Ernst von Koburg-Gotha eingeladen, die neu zu bildende Parthei unter seinen Schutz zu nehmen, und freudigen Herzens begrüßte er sie in seiner Antwort als Gesinnungsgenossen, seine Mitwirkung zusagend. Dieselbe organisirte sich nun definitiv am 16. September 1859 in Frankfurt und zwar unter Anschluß von Mitgliedern der früheren Linken,
als deutscher Nationalverein
. Als nächster Zweck desselben wurde die Reform der Bundesverfassung unter
Preußen's Führung
in's Auge gefaßt, und rasch breitete er sich über ganz Deutschland aus. Sein Hauptsitz befand sich in Gotha, wo ein permanenter Ausschuß wohnte, und bei einer dort am 6. October 1862 abgehaltenen Generalversammlung wurde jetzt als festes Ziel aufgestellt:
Die Ausführung der Reichsverfassung vom 28. März 1849, sammt den Grundrechten und dem Wahlgesetz, wie sie von den Vertretern der Nation waren beschlossen worden
. Bald wurde der Verein eine Macht, welche die öffentliche Meinung in hohem Grade beherrschte und der auch in so weit practisch einwirkte, als aus ihm ein
Abgeordnetentag
hervorging, der in ähnlicher Weise wie früher, aber öffentlich und in viel ausgedehnterem Sinne, ein Zusammengehen der deutschen Kammern anbahnte und vermittelte. Hand in Hand mit diesen Bestrebungen ging die Wiederbelebung nationaler Feste, namentlich nachdem die Turn- und Schützenvereine wieder gestattet waren. Aus allen vier Weltgegenden kamen bei solchen Gelegenheiten die deutschen Genossen zusammen, und durch den freien Gedankenaustausch gewann der in Allen lebende Gedanke eines nationalen Einigungspunctes immer festere Gestalt. Besonders großartig und Allen unvergeßlich, die es mitgefeiert haben, war das Frankfurter Schützenfest im Jahre 1862.
Leider schien die preußische Regierung für alle diese Manifestationen, die sich doch zunächst an sie richteten, wenig empfänglich zu sein; wir erblicken sie äußerlich gerade in diesen Jahren in dem unerquicklichsten Conflict mit ihrer Kammer über das Militär-Budget und die von ihr hartnäckig geforderte dreijährige Dienstzeit der allgemeinen Volkswehr, welche nicht minder hartnäckig bestritten wurde und ja heute noch zu den brennenden Fragen unserer Politik gehört. Die Kammer, fast ganz aus der Fortschrittsparthei bestehend, wurde im Herbst 1862 aufgelöst und die liberalen Elemente des Ministeriums entlassen; in demselben blieb von Roon, der Kriegsminister und Schöpfer des Militärplanes, und Herr
von Mühler
, traurigen Angedenkens für das preußische Schulwesen, trat mit noch anderen feudal-conservativen Männern ein.
Als die neugewählte Kammer, nicht weniger fortschrittlich zusammengesetzt als die aufgelöste, zusammentrat, stand sie wieder vom ersten Tage an in feindlicher Opposition zu dem Ministerium und als der Militär-Etat vorgelegt wurde, der in runder Summe, ohne sich auf eine Specialisirung einzulassen, etwa 10 Millionen mehr als früher forderte, wurde er abermals mit einer außerordentlichen Majorität abgelehnt. Man machte vornehmlich geltend, daß man an eine deutsche Politik Preußen's, welche allein diese erhöhte Machtforderung erkläre, nicht mehr glaube, wenn die Regierung aber von ihrem Heere keinen Gebrauch mache, sei es überflüssig, das Uebergewicht eines Standes zu begründen, der nur verächtlich auf den Bürger herabsehe. Abgesehen davon wollten sich die Volksvertreter auch alle Vorrechte wahren, die ihnen bezüglich der Budgetberathung zukamen, worunter sie
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