Deutsche Geschichte Von 1815-1870
starke Minorität in dem Vereine selbst widersetzte, und das der Nationalverein mit der Erklärung abfertigte, es könne dem Verlangen der Nation nur durch die Ausführung der Reichsverfassung vom 28. März 1849, sammt Grundrechten und Wahlgesetz entsprochen werden.
Auch Herr von Bismarck ließ sich auf diese neuen Pläne nicht ein, und dabei schien er noch gründlicher dafür sorgen zu wollen, sich und seinen König stets weniger beliebt zu machen, indem auch der neugewählte Landtag, der im Januar 1863 zusammentrat, augenblicks in den alten Conflict bezüglich der Budgetüberschreitung gerieth. Verstärkt wurde die Mißstimmung durch Preußen's Gefälligkeiten gegen Rußland, welches in einem neuen Kampfe gegen das aufständische Polen begriffen war. Preußen, anstatt sich streng neutral zu verhalten, erlaubte den Russen an seinen Gränzen alle möglichen Uebergriffe, während man gegen die Polen die größte Härte bewies. Wie ließ sich Alles dieses anders erklären, als durch die streng absolutistischen und junkerhaften Neigungen des Premierministers, der seinen Monarchen nach Kräften von den constitutionellen, freiheitlichen und nationalen Pfaden ablenkte?
Heute wissen wir, warum er Rußland schonte, das Preußen's einziger Alliirter war, im Fall es zum Schlagen mit Frankreich kam, warum er und Wilhelm I. um jeden Preis ein schlagfertiges Heer haben mußten, und warum der Letztere, dem Wunsche seines Ministers entsprechend, auf keinerlei östreichische Lockungen mehr einging.
Der Vergleich Deutschland's mit dem alten Dänenprinzen, den wir früher mitgetheilt, scheint hier noch einmal, wenn auch in anderer Weise zutreffend zu sein; war nicht Bismarck in jenen Jahren auch ein Hamlet, der eine Maske vornahm und eine Rolle spielte, um unter deren Versteck die gefährlichsten und verschlungensten Pfade zu wandeln, die je ein Patriot gewählt, um seine Nation aus einer Lage zu erretten, in der sie, wie zwischen zwei Mühlsteinen zerrieben, ohne Unterlaß aus einem Lager in das Andere gezerrt, ihrer Vernichtung entgegenging, wenn ihr nicht ein Retter nahte? Aber es mußte endlich eine
entscheidende That
geschehen, das fühlten Alle, und es schien, als ob doch noch Oestreich, dessen Ministerium jetzt durch Herrn von Schmerling geleitet wurde, diese That ausführen, der Retter werden, und mit raschem Entschlusse dem Hause Habsburg die erneute Herrschaft über Deutschland sichern solle.
Der Augenblick war in Wien nicht schlecht gewählt, der Kaiserstaat hatte sich im Innern leidlich restaurirt, während Preußen daheim und auswärts die höchste Unzufriedenheit erregte. In aller Eile wurde jetzt in Wien eine neue Bundesverfassung ausgearbeitet, bei der natürlich Oestreich die Hauptrolle spielte, und die man auszuführen sich entschlossen zeigte, mit oder ohne Preußen.
Am 3. August 1863 erging an alle deutsche Fürsten eine Einladung des Kaisers Franz Joseph sich nach Frankfurt zu begeben, zu einem Fürstencongresse, der über Deutschland's künftige Verfassung entscheiden solle. Mit Preußen machte man etwas mehr Umstände und bei einer, deshalb vorbereiteten persönlichen Zusammenkunft der beiden Monarchen in
Gastein
, suchte sich der Kaiser im Voraus der Uebereinstimmung, oder wenigstens der Geneigtheit Preußen's zu versichern. Neben König Wilhelm aber stand sein undurchdringlicher Minister, und Oestreich's Wünsche, sowie seine Einladung an den König, zum Fürstencongresse nach Frankfurt zu kommen wurden kühl abgelehnt, indem Bismarck erklärte, es sei der Würde seines Monarchen nicht angemessen, Vorschläge mitzuberathen, über die man ihn nicht vorher befragt. Die übrigen Fürsten jedoch zeigten sich fast Alle bereit, und neue glänzende Tage brachen für Frankfurt an, die an die Zeiten der früheren Kaiserkrönungen erinnerten; von den Bürgermeistern und dem Senat feierlichst empfangen zogen Kaiser, Könige, Großherzöge u.s.w. mit möglichstem Pompe und großem Aufwand an Pferden und Equipagen, am 16. August, in der alten Reichsstadt ein. Vergebens aber harrte die Zuschauermenge und harrte ganz Deutschland auf den Hohenzollern. Er blieb ruhig in Baden, jede erneute Aufforderung, selbst die des Königs von Sachsen, der besonders zu ihm reiste, hartnäckig ablehnend. Was sollte er auch dort? Sich Oestreich unterwerfen wollte und durfte er nicht, er konnte nur die Dinge ruhig gehen lassen, ohne sich viel darum zu grämen, denn in der That war auf jene Vorschläge, die jetzt den versammelten Fürsten
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