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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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opferten, um eine Staatsschuld zu zahlen. – Wie traurig war es doch für Deutschland, daß solch ein hochherziger Fürst nicht der Regent eines größeren und einflußreicheren Staates gewesen! –
    Als man dann endlich in Kassel die »alten Stände« einberief, um eine neue Constitution zu berathen, kam es zu so langen Streitigkeiten zwischen ihnen und der Regierung, daß der Kurfürst dieselben, ehe sie noch das Mindeste zu Stande gebracht, wieder »huldvoll« entließ, und so lange der Alte lebte, wurden sie auch nicht wieder einberufen. Im Volke aber blieb doch das Bewußtsein haften, daß es wieder einmal selbstständig aufgetreten war, sich um seine eigenen Angelegenheiten gekümmert hatte, und daß das übrige Deutschland seinem Kampfe theilnahmvoll zugeschaut hatte. Aus solchen Vorgängen erwuchs wenigstens Samen für die Zukunft. Noch größere Theilnahme jedoch als der Kasselaner erregte der
Würtembergische
Verfassungsstreit
, denn dort war die Tradition, welche das Volk mit seinen alten ständischen Gerechtsamen verband, noch besonders frisch und lebendig.
    Das Herzogthum Würtemberg besaß noch bis zum Jahre 1797 eine alte erbländische
Verfassung
, die der berühmte englische Parlaments-Redner
Fox
als die beste in Europa nach der englischen, bezeichnet hatte. Das Hauptgerechtsam dieser Stände bestand, wie übrigens bei allen
alten Ständen
, in dem Recht der Steuerverweigerung, aber dieses Recht wurde von
dem Alt-Würtemberger
stets strenge gehandhabt. Wie traurig aber sah es jetzt in diesem Lande unter
König Friedrich's
Regierung aus, der seinen prunkenden Titel auch nur Napoleon's Gunst verdankte. Fast noch französischer gesinnt als der
Baiernfürst
hatte der vorhinige Kurfürst seine eigne Tochter dem leichtsinnigen König von Westphalen zur Frau gegeben, dem er in der übertriebensten Prunk- und Verschwendungssucht kaum nachstand. In Folge dessen kamen nun, als er die alten Stände, die, wie gesagt, seit 1797 nicht versammelt gewesen, wieder einrief, schauderhafte Zustände an den Tag. Der Jahresaufwand des kleinen Hofes berechnete sich bis auf 5 Millionen Gulden, 1/3
aller
Staatseinkünfte, während die
Civilliste
(das jährliche Einkommen des Fürsten) in
Rußland
nur den 30., in
Frankreich den
16. und in
Preußen
den 22. Theil
ausmachten.
    Noch schrecklicher war die schonungslose Bloßlegung der furchtbaren Qualen, die dem geringen Manne durch die übermäßige Hegung des Wildes, und den Verbrauch von Menschenkräften bei den Treib-Jagden auferlegt war. Nicht allein Würtemberg, ganz Deutschland fühlte sich von Theilnahme durch diese Enthüllungen ergriffen, sowie auch von dem ruhigen Mannesmuth, mit dem die Stände alle Greuel einer
absolutistischen
Mißregierung nicht allein bloßlegten, sondern mit dem sie auch auf ihrem
alten guten Rechte
beharrten. Sie gingen nun freilich in Letzterem wieder viel zu weit, so daß sie endlich zu ihrem Fürsten, der bei allen seinen Fehlern, seinem Souveränitätsdünkel, seiner Prachtliebe – doch eine kräftige und kluge Natur war, in einen wunderlichen Gegensatz geriethen. Der König wollte eine Verfassung im neueren Sinne geben, die Stände dagegen ihre alten Satzungen beibehalten. Wir werden diese Kämpfe nicht in ihre Details verfolgen; sie waren nur ganz dazu angethan, die erwachende Liebe zu dem Alten, zu den Rechten der Väter, zu den Schöpfungen des Mittelalters, auch von dieser Seite her zu stärken, und wie thöricht nun auch von dem neuen Standpunkte aus vielfach der Widerstand dieser alten würtembergischen Stände erscheinen mochte, so erhebend wirkte doch wieder im Allgemeinen das entschiedne Auftreten dieses zähen schwäbischen Volksstammes, der auf seine alten Satzungen pochend, sich die alte Liebe und Treue zu ihnen bewahrt hatte. Unter solchen und ähnlichen Zusammenstößen entwickelte sich denn doch allgemach ein politisches Leben, erwuchs eine Theilnahme der öffentlichen Meinung, die von da an nicht mehr zu unterdrücken war. Nicht unbemerkt aber darf es an uns vorübergehen, wie an dieser Stelle auch die
Poesie
zuerst ihre Stimme für öffentliche Interessen erhebt, und durch
Uhland's
Mund theilnimmt, an den inneren Kämpfen seines kleineren Vaterlandes. Es sind die ersten feurigen Anklänge
politischer Poesie
in unserer zweiten großen Literaturepoche, die uns hier aus Uhland's vaterländischen Gedichten entgegenklingen. Er erzählt uns in seiner herrlichen Sprache von den Vorzügen Schwabens, um dann mit der Strophe zu

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