Deutsche Geschichte Von 1815-1870
ob Preußens Fürst und seine Minister froh und freudig das gegebene Wort einlösen, ob der
Vertrag
zwischen Fürst und Volk dort baldigst abgeschlossen, und damit alle reactionären Bestrebungen, die ihr Haupt höher und höher erhoben, zurückgedrängt würden. Dazu hatte es aber leider wenig Anschein – der Adlerorden, den man Schmalz verliehen, das Verbot des rheinischen Merkur zu Anfang 1816, die Versuche reactionärer Blätter, um darzuthun, daß das Volk in Preußen gar keine repräsentative Verfassung
wünsche
, daß sein bester Trost der sei: »Ich gehe an's Kabinet« – dies Alles ließ wenig Gutes erwarten. »Untröstlich noch war's allerwärts,« so mußte Uhland singen in seinem herrlichen Liede am 18. October 1816, wenn er aber dann hinzufügte:
»Doch seh ich manches Auge flammen,
Und klopfen hört' ich manches Herz,«
so schlug dieses Herz jetzt immer lauter in der Brust der jungen Männer, ihnen nur zu bald Verfolgung und Verderben bringend, weil kein Fürst, kein Staatsmann sich fand, der es verstanden hätte, diese Stimmungen für edle Zwecke auszubeuten. Selbst
Niebuhr
, der berühmte Philologe und Historiker, selbst er, der eigentlich diese anmaßende Jugend haßte, klagte damals laut die Regierungen an, daß ihre Trägheit und Unfähigkeit eine Menschengruppe von so rein sittlicher Gesinnung, daß sie kaum zu einer politischen Parthei tauge, in eine fanatische Secte verwandle. –
Die Gelegenheit, einen Hauptschlag gegen die jugendlichen Stürmer zu führen, blieb nicht aus. Der 31. October 1817 brachte die dritte Säcularfeier
der Reformation
, und dieses Fest sollte in ganz Deutschland großartig begangen werden; damit zusammen fiel in dem October die noch so frische Erinnerung an die Leipziger Schlacht. In Folge dessen faßten zwei Studenten, der Burschenschaft angehörend,
Hoffmann aus Rödelheim
, der in Gießen,
Maßmann aus Berlin
, der in Jena studirte, den Gedanken, beide Feste in eines zu verschmelzen. Sowie Luther Deutschland vom Joche Roms, der Tag von Leipzig es vom Joche Frankreichs erlöst hatte, so sollte dies Angedenken gleichzeitig gefeiert werden und als Schauplatz dafür wählte man die altehrwürdige
Wartburg
, die durch so manche glorreiche Erinnerung mit der deutschen Geschichte und Literatur innigst verwebt ist. Die Weimaraner Regierung kam diesem Gedanken bereitwilligst entgegen, und erlaubte, daß die Jenenser Burschenschaft ihre Einladung zu dem genannten Zwecke an alle deutsche Hochschulen ergehen ließ. Auch die Stadt
Eisenach
blieb nicht zurück; Stadt, Kirche und Burg wurden festlich geschmückt, aus den herzoglichen Forsten das Holz zu den Freudenfeuern freiwillig geliefert, und die herzoglichen Fischteiche für das Festmahl geöffnet. Gegen 500 junge Männer hatten sich an dem bestimmten Tage eingefunden; die Mehrzahl aus Jenenser Studenten bestehend, doch waren auch Abgeordnete von andern Hochschulen gekommen, und diesen Studenten schloß sich der Eisenacher Landsturm an. Ein ritterlich-religiöser Hauch, dem Charakter entsprechend, den Fichte diesen Jugendbünden zu geben gesucht, lag über der ganzen Feier, ja er artete sogar hie und da in den Reden in eine gewisse unklare Frömmelei aus; dabei waltete die größte Ordnung und Feierlichkeit über der ganzen Versammlung und gab sich bei allen Trinksprüchen kund. Geistlicher Gesang ertönte am Anfang wie am Ende, eine Turnerschaar trat auf und zeigte ihre Uebungen, patriotische Lieder und Reden erschallten, welche alle die Eintracht und den schön erwachten Freiheitssinn des deutschen Volkes verherrlichten. Nur hie und da streiften die Reden an das Politische an, aber, im Geschmacke der Zeit, so sehr verbrämt mit Schwulst und Bombast, daß wir heutigen Tages es kaum noch begreiflich finden, wie man diese phrasenhafte Rhetorik, deren Kern, wenn man ihn herausgefunden, sich doch immerhin als ein tüchtiger und rein sittlicher zeigte, als Aufforderungen zum Hochverrath, zum Umsturz und dergleichen deuten konnte. –
Als der Abend hereinsank, zogen Alle mit Fackeln auf den Wartenberg, der Wartburg gegenüber, wo die Holzstöße für das Siegesfeuer, aufgeschichtet lagen. Während man dieses entzündete, hielt ein Student,
Rödiger
aus Frankfurt, die Festrede, die man fast mehr als eine Predigt bezeichnen konnte, so wunderlich gespreizt und mit Bibelsprüchen vermischt war ihr Inhalt. Er geißelte vorzugsweise die Untugend der Franzosen, die Nachäfferei, die Genuß- und Selbstsucht, und rief zuletzt
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